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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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Beweismaterial oder Leichenteile gefunden haben, wie die Leiche positioniert war – und so weiter.«
    Bob Thompson kam zu uns herüber. »Was dauert denn so lang? Parrish sagt, sie liegt da, etwa einen halben Meter unter der Erde. Er hat bereits gestanden. Ich brauche nichts weiter als eine vorläufige Identifizierung.«
    Hinter mir hörte ich Ben fragen: »Und was, wenn es sich um ein anderes Opfer handelt, Detective Thompson?«
    Thompson zögerte und sagte dann: »Gut, aber wir wollen doch nicht trödeln, oder?«
    Ben ging einfach davon. Aus einem seiner Matchsäcke holte er zwei Rollen Drahtgitter, das eine mit Maschen von einem halben Zentimeter, das andere mit Maschen von etwa anderthalb Zentimeter Breite. David half ihm, daraus mit zwei Stützen zwei Siebe zu bauen.
    Bingle rief hin und wieder nach David, und David antwortete auf Spanisch: »Alles in Ordnung, Bingle. Bleib bei Irene.« Und jedes Mal bekam ich von dem Hund als Reaktion einen raschen Kuss.
    Wann immer ich zu Parrish hinübersah, musterte er mich mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen. Ich unterdrückte den Drang, schnell beiseite zu sehen und ihm zu zeigen, wie unwohl ich mich unter seiner Beobachtung fühlte. Doch ich war immer die Erste, die den Blickkontakt abbrach, und einmal, als mich beim Abwenden ein unfreiwilliges Schaudern überlief, hörte ich ihn leise lachen.
    Mit Andys Hilfe schabten die Anthropologen die oberste Schicht Erde innerhalb der markierten Grenzen ab und gaben sie durch die zwei Siebe. Und so fuhren sie fort, Zentimeter für Zentimeter, während Thompson ungeduldige Proteste äußerte. Obwohl sie zunächst nicht weit zu kommen schienen, erkannte ich schon bald klarer umrissene Kanten des Ovals, das sie mit den Fähnchen markiert hatten. Der Geruch wurde stärker.
    Ben reckte sich einen Moment. Als er herüberkam, um Bingle zu begrüßen, sagte ich: »Sie haben nicht zufällig etwas von der Duftmischung bei sich?«
    »Ich benutze sie nicht.«
    »Aber wie können Sie es aushalten –«
    »Für Fachleute, die die ganze Zeit damit zu tun haben – na ja, ich vermute, es ist eine Frage des persönlichen Geschmacks, aber ich würde nicht empfehlen, irgendeine Duftmischung zu verwenden, um den Geruch zu überdecken. Versuchen Sie, so damit umzugehen, wie die Natur vorgesehen hat, dass Sie damit umgehen sollen.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Früher oder später, nachdem Ihr Gehirn die Botschaft Ihrer Geruchsnerven erhalten hat, dass da draußen etwas Übles ist – und diese Botschaft wieder und wieder erhalten hat –, werden die Signale nicht mehr registriert. Allerdings hängt ein Restgeruch in Ihren Kleidern, und Sie riechen ihn später wieder, wenn Sie nicht mehr so nah am Grab stehen.«
    »Reizend.«
    »Sie riechen es später, ganz egal, was Sie jetzt tun. Aber wenn Sie etwas benutzen, was Ihre Nasengänge weitet, stimuliert das Ihre Geruchsnerven noch weiter – dann riechen Sie den ganzen Tag Verwesung. Es kann auch dazu führen, dass Ihr Gehirn den guten Geruch mit dem schlechten verbindet.«
    »Sie meinen, dass ich jedes Mal, wenn ich etwas mit Menthol-, Kampfer- oder Eukalyptusgeruch benutze –«
    »Ja. Ihr Gehirn könnte der Mischung Verwesungsgeruch hinzufügen.«
    Ich sah zu David hinüber. Er hatte die Duftmischung verwendet, warum also nicht auch ich?
    »Natürlich«, fuhr Ben fort, »erwarte ich nicht von Ihnen, dass Sie dieser Situation überhaupt gewachsen sind, also tun Sie, was immer Sie tun müssen.«
    Damit stand mein Entschluss natürlich fest. David hielt mich offenkundig für schlecht beraten, sprach es aber nicht aus. Er sah allerdings häufig nach mir, um sich zu erkundigen, wie ich mich hielt. Er bot die Duftmischung den anderen an; Ben und ich waren die Einzigen, die ablehnten. Als er das Glas herumreichte, überging er Parrish ostentativ. Parrish grinste nur.
    »Bringen Sie ihn zurück ins Lager«, wies Thompson die Wachen an.
    Die Ausgrabung ging weiter, jetzt sogar noch langsamer, da die Seiten des Grabs vorsichtig freigelegt wurden. Ben konzentrierte sich darauf, die Kanten des Grabs mit höchster Genauigkeit festzulegen, während David sachte an den inneren Schichten schabte. Andy suchte mit Hilfe der Siebe nach Gegenständen, die womöglich übersehen worden waren, füllte bestimmte Mengen der abgetragenen Erde in Tüten, etikettierte sie und machte sich dazu die nötigen Notizen.
    Von Zeit zu Zeit schien der Geruch aus dem Grab schlagartig schlimmer zu werden. Dann sah Ben zu mir

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