Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
Vom Netzwerk:
Unruhe, die ihn manchmal bei der Ausübung seines Berufs erfasste: Instinkt, ein flaues Gefühl in der Magengrube – man konnte es nennen, wie man wollte. Kein Cop, der etwas taugte, ignorierte es. Und im Moment machte es ihn absolut rasend. Er glaubte daran, vertraute ihm, selbst wenn er nicht vor Gericht darauf hätte schwören können …
    »Du musst dir eine Beschäftigung suchen«, sagte Travis. »Du darfst nicht nur hier sitzen und dich immer weiter hineinsteigern. Such dir etwas, womit du deine Zeit ausfüllen kannst.«
    In Gedanken an Parrish versunken, starrte Frank Travis einen Augenblick lang nur an. Der Vorschlag, sich mit irgendetwas zu beschäftigen, der ihm im ersten Moment nur lächerlich vorgekommen war, begann sich in ihm festzusetzen und kam ihm nun völlig einleuchtend vor.
    Er griff nach seinen Autoschlüsseln.
    »Wo willst du hin?«, fragte Travis.
    »Mr. Newly an seinem Krankenbett besuchen.«
     

10
     
    MITTWOCH NACHMITTAG, 17. MAI
    Bergland der südlichen Sierra Nevada
     
    J. C. stieß wieder zu uns, als etwa die Hälfte der Plastikfolie freigelegt war. Falls ihn das zusätzliche Wandern oder die Schwierigkeiten dabei, Phil Newly zum Flugzeug zu helfen, ermüdet hatten, so ließ er es sich nicht anmerken.
    Bingle bemerkte J. C.s Anwesenheit am anderen Ende der Wiese früher als ich. Da ich den Hund beobachtet hatte, war wiederum mir der Wandel seiner Blickrichtung vor den anderen aufgefallen. In den letzten Stunden hatte ich viel Zeit damit verbracht, dafür zu sorgen, dass sich Bingle nicht näher an das offene Grab heranschlich – nachdem er einen fast erfolgreichen Versuch unternommen hatte, hatte mir David beigebracht, »¡Quédate!« – also »Bleib hier« – in einem Ton zu sagen, dem Bingle gehorchen würde.
    »Sie können auch ›No te muevas‹ sagen«, meinte David. »Wenn Sie das mit fester Stimme sagen – ihm klar machen, dass Sie es ernst meinen –, bringen Sie ihn dazu, seine anderen Impulse hintanzustellen, sogar diejenigen, die ihm sagen, dass er etwas richtig Tollem auf der Spur war und jetzt nur wir den ganzen Spaß haben. Er würde gern mitmachen, aber seine Vorstellung von Vergnügen wäre unseren Zwecken nicht besonders dienlich.«
    Ich erschauderte.
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte David. »Aber um diese Arbeit verrichten zu können, muss er sich eben für den Geruch interessieren. Meistens benimmt er sich ja, aber das Problem ist, dass Bingle einen allzu starken Besitzerinstinkt für seine Funde entwickelt.«
    Jetzt, da J. C. sich näherte, hatte Bingle die Ohren nach vorn gespitzt und musterte den Ranger scharf. Hunde – natürliche Jäger – sehen Bewegung besser als Details, und Bingles Körperhaltung sagte, dass er gegen die sich nähernde Gestalt auf der Hut war. Schließlich musste er es geschafft haben, J. C.s vertrauten Geruch aufzufangen – obwohl mir ewig ein Rätsel bleiben wird, wie er das über den immer stärker werdenden Geruch des Grabs hinweg fertig brachte –, da er urplötzlich ein fröhliches Willkommensgebell anstimmte.
    Eine Zeit lang wurde die Arbeit unterbrochen, als wir J. C. begrüßten und uns gegenseitig auf den neuesten Stand brachten. Er trug etwas von der Duftmischung auf, während er der Geschichte von Bingles Fund lauschte und den Hund lobte, der sich in seiner Aufmerksamkeit sonnte .
    Er hatte den Kojotenbaum gesehen und zeigte seinen Abscheu darüber unverhohlen. Er war absolut dafür, Parrish deswegen zur Rechenschaft zu ziehen. »Das sind zwar kleine Fische für jemanden, der wegen Doppelmordes verurteilt werden wird, nehme ich an, aber trotzdem –« Er schüttelte den Kopf, als wolle er sich selbst von der Erinnerung an den Baum befreien. Er bückte sich, um Bingle zu streicheln. »Du hast also Mrs. Sayre gefunden, was, Bingle?«
    »Wir wissen noch nicht, wer oder was das ist, J. C.«, rief Ben ihm in Erinnerung und reichte ihm ein Paar Handschuhe. »Wir haben das Plastik noch nicht einmal aufgemacht.«
    »Also«, sagte der Ranger und sah belustigt drein, »angesichts der Plastikfolie scheidet eine indianische Grabstätte wohl aus, und ich kann euch sagen, dass sich auf dieser Wiese keine legalen Friedhöfe befinden, und Jagen ist hier auch verboten. Also gehört der, die oder das, was da liegt, nicht hierher.«
    »Wann kommt das Flugzeug zurück?«, fragte ich ihn.
    »Morgen, wenn das Wetter es zulässt. Es ist etwas Regen vorhergesagt, daher verspäten sie sich vielleicht ein oder zwei Tage. Haben Sie einen

Weitere Kostenlose Bücher