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Grabesstille

Grabesstille

Titel: Grabesstille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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selbst wenn man das Zelt nicht in ein Krematorium verwandelt, füllt man es mit Kohlenmonoxid. Außerdem hatte ich bereits beschlossen, dass wir ab der Dämmerung im Dunkeln bleiben würden – vielleicht hielt Parrish nach einem Lichtschein Ausschau, um unseren Aufenthaltsort zu ergründen.
    Ich fragte mich, wo Frank war. Zweifellos machte er sich Sorgen. Der Regen würde ihm noch mehr Sorgen bereiten. Unter manchen Umständen hätte mich das geärgert; doch heute Abend fand ich Trost darin. Wenn irgendjemand die maßgeblichen Stellen dazu brächte, uns so schnell wie möglich zu suchen, dann war es Frank. Je mehr ich darüber nachdachte, desto sicherer war ich mir meiner Sache. Er würde nicht zulassen, dass wir den Plänen, die Parrish ausgeheckt haben mochte, hilflos ausgeliefert wären. Ich merkte, wie ich ruhiger wurde.
    Ich bemühte mich, Parrish nicht als eine Art unergründlichen Bogeyman zu sehen – das Monster, das Frauen folterte und Gräber mit versteckten Sprengladungen präparierte –, sondern als Feind aus Fleisch und Blut. Er besaß keine übernatürlichen Kräfte. Es regnete auch auf ihn.
    Ich lauschte auf Bens und Bingles Atemzüge, auf Bens gelegentliches Stöhnen und Bingles gelegentliches Schnarchen.
    Ich würde das Beste aus meinen Verbündeten machen müssen, beschloss ich.
    Vielleicht konnte ich Parrish nicht gefangen nehmen oder töten, aber wenn wir alle drei überlebten, würde ich das als bedeutenden Sieg verbuchen.
     
    Der Regen fiel weiter und prasselte jetzt stärker herab. Ich war erschöpft, doch Geister auf der Wiese und Gedanken an unseren gemeinsamen Feind hielten mich bis spät in die Nacht wach. Als mir klar wurde, dass Ausruhen Bewaffnung bedeutete, schlief ich endlich ein.
     

19
     
    DONNERSTAG NACHMITTAG, 18. MAI
    Mojave-Wüste
     
    »Lass mich zuerst reingehen«, sagte Jack Fremont, als Travis den Wagen am unteren Ende der gekiesten Einfahrt zum Stehen brachte. Jack hatte ihn davor gewarnt, in die Einfahrt hineinzufahren – der Mann, den sie aufsuchen wollten, legte großen Wert darauf, dass man seine »Betreten verboten«-Schilder respektierte.
    Frank saß mit den Hunden hinten im Wagen.
    »Ich weiß, dass dich die Verzögerungen wahnsinnig machen«, sagte Jack zu ihm, »aber wenn wir Stingers kleine Willkommensrituale erst einmal hinter uns haben, kann er uns eine Menge Zeit sparen.«
    »Nicht, wenn das Wetter so bleibt«, sagte Frank und warf einen besorgten Blick zum Himmel.
    »Vielleicht nicht, wenn es dermaßen schlecht bleibt«, gab Jack zu. »Aber zu Fuß kommst du bei diesem Wetter auch nicht gerade schnell voran. Der Matsch würde dich extrem bremsen.«
    »Bist du sicher, dass man diesem Kerl trauen kann?«, wollte Frank wissen und warf einen argwöhnischen Blick auf das merkwürdige Gebäude am Ende der Einfahrt. Man sah auf den ersten Blick, dass es ein Eigenbau war – ein Haufen einzementierter Steine und Balken, der eher wie eine Kreuzung zwischen einer Blockhütte und einem mittelalterlichen Billig-Schloss aussah als wie ein Wohnhaus.
    »Ich würde Stinger Dalton mein Leben anvertrauen – was ich bei verschiedenen Gelegenheiten auch schon getan habe. Lass mir nur ein Weilchen Zeit, um ihn mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass er Besuch kriegt.«
    Sie sahen Jack nach, wie er mit erhobenen Händen, als würde er mit vorgehaltener Waffe bedroht, die Einfahrt entlangging.
    »Ach ja, er würde ihm also sein Leben anvertrauen«, sagte Travis. »Offenbar traut er ihm zu, dass er es ihm nimmt, so wie’s aussieht.«
    Frank schüttelte den Kopf. »Lass mal die Fenster ein bisschen runter, ich möchte mithören.«
    Frank wäre ohne weiteres alleine losgezogen, um Irene zu suchen, doch er war erleichtert gewesen, als Travis darauf bestand, ihn zu begleiten. Wenig später war Jack rübergekommen, und als er sah, wie sie ihre Ausrüstung packten, bot er an, sich anzuschließen.
    Das war sogar eine noch größere Erleichterung gewesen, und zwar nicht nur, weil Jack findig und ein geübter Bergwanderer war. Jack hatte erklärt, er würde Stinger Dalton sein Leben anvertrauen, und Frank empfand ebensolches Vertrauen zu Jack – ein Vertrauen, wie er es anderen nur selten entgegenbrachte.
    Jack wohnte nebenan, und seine Sorge um Irene war mit Sicherheit fast so groß wie seine eigene, das wusste Frank. Jack hatte nicht versucht, ihm die Idee auszureden, hinauf in die Berge zu gehen. Ohne zu zögern hatte er lediglich gefragt, ob er seine Unterstützung anbieten

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