Grabesstille
war.
Bingle winselte furchtsam. Vielleicht hatte er Angst, wir würden ihn zurücklassen. Ich ging ihn holen, sobald ich konnte. Die Bachüberquerung verlief ohne Ben auf dem Rücken wesentlich schneller, und schon bald hatte ich Bingle im Geschirr und kehrte mit ihm zurück. Geschickt schaffte er es ohne hineinzufallen ans andere Ufer.
Ich sah mich rasch um und fand eine Stelle, die einigermaßen sicher zu sein schien – uneinsehbar von der Wiese und vom Bach. Ich zerrte Ben dorthin.
Meine nächste Aufgabe war es, Ben davor zu bewahren, in einen Schockzustand zu verfallen. Dazu war unter anderem Wärme erforderlich. Ich nahm meine Jacke sowie jene warmen Kleidungsstücke ab, die ich für entbehrlich hielt. Dann fiel mir meine erste Nacht in den Bergen wieder ein, und ich sagte zu Bingle: »Duerme con él.« Schlaf bei ihm.
Er sah mich mit schief gelegtem Kopf an und fragte sich vielleicht, was ich zu dieser Tageszeit damit meinen mochte – und dann, als ich ihn weiterhin anblickte, als erwartete ich, dass er mir gehorchte, trottete er langsam zu Ben hinüber und legte sich an seine Seite.
Ich war müde, aber ich überquerte so schnell ich konnte noch einmal den Bach und ging durch den Wald zu dem Lager, das wir am Morgen aufgebaut hatten. Ich wollte weder Ben länger allein lassen als nötig, noch am Lagerplatz erwischt werden, falls Parrish zurückkehrte.
Das Lager war ein gutes Stück von der Stelle entfernt, wo Ben lag. Ich wusste nicht, wie gut Parrish die Gegend kannte, aber seine Kenntnis der Landebahn, sein Kojotenbaum und die beiden Gräber wiesen allesamt darauf hin, dass er des Öfteren hier gewesen war. Die Chancen, dass ich mich über einen längeren Zeitraum vor ihm versteckt halten könnte, waren gering, aber ich musste es ja nur schaffen, bis J. C. und Andy mit dem Hubschrauber zurückkehrten. Und das wäre schon bald, sagte ich mir.
Das Lager war ein einziges Chaos. Parrish hatte den Inhalt sämtlicher Rucksäcke auf die Erde geworfen. Kochutensilien, Zeltstangen, Kleidungsstücke, Schlafsäcke und andere Gegenstände lagen kreuz und quer verstreut. Das meiste davon war feucht. Trotz der Unordnung fasste ich neue Hoffnung, als ich sah, was übrig geblieben war.
Ich fand meinen eigenen Rucksack, untersuchte ihn und konnte keinen Schaden feststellen. Ich sammelte den Großteil meiner Kleider zusammen und zog gleich ein paar Sachen an, um warm zu bleiben. Einen Augenblick lang hätte ich fast meine gesamte aufgesetzte Gelassenheit verloren, als ich merkte, dass Parrish bis auf eines alle meine Höschen mitgenommen hatte. Ich sagte mir, dass das angesichts seiner Tagesleistung definitiv eine Kleinigkeit darstellte, die es nicht wert war, sich darüber aufzuregen, gratulierte mir stattdessen dazu, dass das Höschen, das er dagelassen hatte, ein sauberes war, und machte mich wieder an die anstehenden Aufgaben.
Ich begann, sämtliche Kleidungsstücke zusammenzusammeln, die ich meiner Erinnerung nach an Ben gesehen hatte, überlegte es mir dann jedoch anders. Wenn Parrish hierher zurückkam und sah, dass die einzigen Kleider, die fehlten, Bens und meine waren, käme er womöglich darauf, dass Ben noch lebte.
Das führte mich zu meiner nächsten Aufgabe, die mit am schwersten zu verkraften war. Ich riss mich zusammen, schärfte mir ein, dass dies nicht das Gleiche war, wie über ein Schlachtfeld zu gehen und toten Soldaten ihr Kleingeld abzunehmen, und begann die Habseligkeiten der Toten zu durchsuchen.
Ich rang schwer darum, nicht daran zu denken, wie Earl dieses Hemd oder David jenen Pullover getragen hatte. Ich weigerte mich, daran zu denken, was auf der Wiese passiert war, oder schlimmer noch, wem es passiert war. Ich stieß auf das kleine Holzpferdchen, das Duke geschnitzt hatte, spürte, wie mir die Tränen kamen, und steckte das Pferd in meinen Rucksack, während ich mir immer wieder sagte, dass es dumm von mir war, etwas so Unnötiges in mein Gepäck zu laden.
Bleib am Leben. Halt Ben und Bingle am Leben. Das Dringendste zuerst.
Ich nahm mir statt Bens Rucksack einen Matchsack – den größten, den ich finden konnte –, begann Kleidungsstücke von jedem der toten Männer zusammenzusuchen und mischte einige von Ben darunter.
Ich nahm nicht viel Kleidung, da ich Platz für Lebensmittel brauchte. Doch als ich den Stapel mit Sachen durchsuchte, fand ich lediglich drei Päckchen Hühner-Nudelsuppe – aus Mantons Daypack – und Bingles Hundefutter.
Du hast Wasser und einen Filter, sagte
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