Grabesstille
ich mir. Außerdem hast du jede Menge Wasserdesinfektionstabletten. Wenn du bald gerettet wirst, brauchst du dir nicht mal den Kopf darüber zu zerbrechen, den Hund zu füttern.
Obwohl nur eines der Zelte aufgestellt gewesen war, als Parrish auf seinen Zerstörungsfeldzug ging, hatte er die anderen aus ihren Nylonhüllen gezerrt und ihre Stangen, Regenüberdächer und Schnüre verstreut. Doch es gelang mir, sämtliche Teile für meines zu finden, und ich konnte erfreut feststellen, dass bei seinem Wüten nicht einmal mein Überdach beschädigt worden war.
Dieses Sammelsurium ergänzte ich durch zwei gut sortierte Erste-Hilfe-Sets, drei unversehrte Schlafsäcke – darunter mein eigener –, meine und eine zweite Isoliermatte, meinen Kocher mit Geschirr, eine Taschenlampe, drei Kerzen, eine Plane, ein Stück Schnur, ein Rasieretui, auf dem Bens Name stand, einen Plastikeimer und ein paar andere wichtige Dinge.
Ich betrachtete es als großen Glücksfall, als ich Earls Medikamente gegen seine Ohrentzündung fand. Ein Plastikröhrchen enthielt ein Mittel gegen Schwellungen, doch das andere konnte mir eventuell dabei helfen, Bens Leben zu retten. Laut Etikett war es Keflex, ein Antibiotikum.
Da Ben über eine Stunde lang mit offenen Wunden in einer feuchten Wiese gelegen hatte, bevor ich zu ihm vorgedrungen war, stellte die Infektionsgefahr ein massives Problem dar. Doch wenigstens hielt ich nun eine Waffe in der Hand, mit der ich sie bekämpfen konnte.
Ich setzte meinen Rucksack auf und legte rasch eine falsche Spur zum Oberlauf des Baches, indem ich versuchte, es so aussehen zu lassen, als hätte ich mich auf den Weg zurück zur Landebahn gemacht. Ich kehrte auf weniger auffällige Weise zurück und tat mein Bestes, um meine Spuren zu verwischen. Dann nahm ich den Matchsack und machte mich beladen auf den Rückweg zu Ben und Bingle.
Eine starke Brise hielt meinen Geruch von Bingle fern, der bei meinem Eintreffen knurrte. Bis ich leise seinen Namen rief, fürchtete ich schon fast, er werde anfangen zu bellen oder mich regelrecht anfallen.
Ben war wach.
»Wie fühlen Sie sich?«, fragte ich und setzte den Matchsack ab.
»Die anderen …?«
Ich schüttelte den Kopf.
Er wandte den Blick ab.
Eilig rollte ich einen der Schlafsäcke auseinander und legte ihn auf Ben. Indem er jedes Wort akkurat artikulierte, wie ein Mann, der einen halben Liter Whiskey gekippt hat, aber nicht betrunken erscheinen will, sagte er: »Sie sollten mich hier zurücklassen.«
»Fangen Sie nicht mit diesem Schwachsinn an«, entgegnete ich.
»Ist kein Schwachsinn. Ist logisch.«
»Sie haben einen schweren Schlag auf den Kopf bekommen, es wundert mich, dass Sie mit dieser Wunde am Bein nicht vor Schmerzen schreien, und Sie haben gerade einen schrecklichen Verlust erlitten. Ich lasse mir von Ihnen nicht sagen, dass Sie derjenige seien, der logisch denkt.«
Er seufzte.
»Außerdem«, fuhr ich fort, »wann hätte ich schon je auf Sie gehört?«
»Wie wahr«, sagte er und verstummte.
»Sind Sie gegen Keflex allergisch?«
Er schüttelte den Kopf.
Ich las das Etikett, auf dem es hieß, man solle viermal täglich eine Tablette nehmen. Ich gab ihm zwei davon und half ihm, mehr Wasser zu trinken.
»Danke«, sagte er.
»Keine Ursache.«
»Von wem ist das Medikament?«
»Von Earl.« Bevor er sich allzu viele Gedanken darüber machen konnte, fügte ich hinzu: »Ich stelle jetzt das Zelt auf. Wenn wir erst einmal einen Unterschlupf haben, kann ich versuchen, Ihre Wunden besser zu versorgen. Zumindest haben Sie es dann wärmer und trockener.«
Ich machte mich an die Arbeit. Ich stellte das Zelt auf, und nach einem Blick auf den sich verdunkelnden Himmel zog ich das Regendach darüber. Als ich es geschafft hatte, Ben, Bingle und die nötigen Utensilien im Zelt zu verstauen, blieb nicht mehr viel Bewegungsfreiheit. Zum Glück brach meine Klaustrophobie nicht aus – etwas, das mir aufgefallen war, als ich Ben ins Zelt manövriert hatte, bereitete mir viel zu großes Kopfzerbrechen, um an meine eigenen Sorgen zu denken: Sein Bein hatte erneut zu bluten begonnen.
Mittlerweile hatte ich mehr medizinische Hilfsmittel zur Verfügung, also nahm ich ihm die provisorische Schiene und den Verband ab und versuchte, ihn besser zu verarzten. Unter der Wunde hatte das Bein eine gräuliche Färbung angenommen. Einmal schrie er vor Schmerz über eine ungeschickte Bewegung meinerseits auf, und wir beide sagten synchron: »Entschuldigung!« Schließlich hatte
Weitere Kostenlose Bücher