Grabesstille
Flugunterhaltung. Bingle, Deke und Dunk schauten drein, als wäre ihnen jeder Moment dieses Fluges ein Graus, Geschichtenerzählen hin oder her. Jack schmunzelte und schrie: »Du erinnerst dich also an Parzival!«
Dalton schaffte es, uns von der Wiese zu bringen, bevor die Polizei oder der Forest Service anrückten. Er funkte die Ranger-Station an, um ihnen mitzuteilen, dass wir einen medizinischen Notfall hatten und man uns in Las Piernas im St. Anne’s antreffen könnte. Er gab eine knappe Beschreibung der Lage auf der Wiese und warnte sie davor, dass Parrish schwer bewaffnet war.
Als der Hubschrauber am St. Anne’s landete, wurden wir von einem Team aus Ärzten und Schwestern sowie Tom Cassidy empfangen. Frank hatte ihn gebeten, dort auf uns zu warten. Cassidy beherrscht es meisterhaft, noch unter dem schlimmsten Druck und in chaotischen Situationen ruhig zu bleiben – er ist der Leiter der Spezialeinheit der Polizei von Las Piernas. Zum Aufgabenbereich des hoch gewachsenen Texaners gehören Dinge wie die Freilassung von Geiseln auszuhandeln, aber auch potenzielle Selbstmörder vom Fenstersims zu holen, und sein Können wurde an diesem Tag massiv auf die Probe gestellt.
»Alle sind stinkwütend auf mich«, maulte er, während er vor Stolz grinste, »aber ihr dürft ein Weilchen mit euch und den Ärzten allein sein.«
Jack, Travis und Stinger schnappten sich jeder einen Hund – wobei Stinger der Einzige war, der es schaffte, Bingle von Bens Seite loszueisen – und trafen sich mit Travis’ Anwalt, der uns bei vorherigen Gelegenheiten schon geholfen hatte. Mit seinem Beistand und dem Cassidys sah es ganz danach aus, als würde keiner von uns vor Gericht gestellt oder vom Polizeipräsidium gemaßregelt werden oder seinen Job oder die Pilotenlizenz verlieren.
J. C. und Frank waren die Ersten, die dem Staatsanwalt und der Polizei Rede und Antwort standen. Als ich an die Reihe kam, wachte Cassidy inoffiziell über mich. Schnell merkte ich, dass ich wie aus weiter Ferne antwortete und vielleicht nicht immer logisch dachte. Ich wurde rasch müde, und Cassidy scheuchte die anderen davon.
Kurz danach musste er gehen. Er hatte alle Hände voll damit zu tun, den Kriseneinsatz zu koordinieren, der weiter reichte, als ich mir in diesem Moment hätte vorstellen können.
Ich fragte den Arzt, der sich meine zahlreichen Kratzer und Blutergüsse besah, nach Ben. Er zögerte und sagte dann: »Man hat ihn in die Chirurgie gebracht. Das Bein ist schwer verletzt und infiziert. Wir geben ihm Antibiotika, aber –«
»Welche Art Antibiotika?«, wollte ich wissen.
»Eine Kombination aus Cephalosporin – Sie haben es vielleicht schon mal genommen, unter dem Namen Keflex –«
»Keflex«, unterbrach ich ihn und wurde bleich. »Keflex? Das könnte wirken?«
»Ja, in hoher Dosierung«, bestätigte er und musterte mich. »Ist Ihnen schlecht?«
»Ein bisschen«, gestand ich.
Ich wollte nach Hause, doch der Arzt bat mich, noch ein paar Stunden dazubleiben, da ich an Entwässerung litt. Man steckte mich in ein Bett, legte mir eine Infusion, brachte mir ein leichtes Essen, und schnell schlief ich ein.
Ich erwachte zwei Stunden später und sah Mark Baker und John Walters vor meinem Bett stehen. Mark ist ein alter Freund von mir und außerdem Kriminalreporter beim Express . John ist der Chefredakteur.
Eine Schwester versuchte sie hinauszukomplimentieren, aber ich sagte ihr, es sei schon in Ordnung, und ich würde mich kurz mit den beiden unterhalten.
Nach ein paar besorgten Phrasen, die ich trotz meiner Erschöpfung nicht allzu ernst nahm, sagte John: »Sie wissen, warum wir hier sind.«
»Sie wollen die Geschichte.«
»Sehen Sie?«, sagte er zu Mark. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass sie ein Profi ist.« Er wandte sich wieder zu mir. »Ich habe mir gedacht, Sie hätten sicher nichts dagegen, wenn Mark sie schreibt – zumindest die erste. Sie werden auf jeden Fall als Mitautorin genannt, aber Mark hat schon ziemlich viel daran gearbeitet, also –«
»Macht mir nichts aus«, sagte ich matt.
»Sie kommen morgen in die Redaktion – holen Sie den versäumten Schlaf nach, aber kommen Sie um, na, sagen wir, elf Uhr.«
»Ich weiß nicht genau –«
»Aber ich«, sagte John energisch. »Ich muss Ihnen ja wohl nicht erst erklären, wie wichtig diese Story ist – und Sie waren mittendrin. Ihr Freund Cassidy hat bereits Ihre Straße absperren lassen, was allerdings fünf große Fernsehteams nicht daran gehindert hat,
Weitere Kostenlose Bücher