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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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wenn er an ihrem Haus vorbeifuhr? Eine Frau mit einem komfortablen Haus und allen äußeren Zeichen des Erfolgs, die allein an ihrem Fenster stand, isoliert und schutzlos.
    Ihr Telefon klingelte.
    Daniel – das war ihr erster Gedanke, und als sie begierig nach dem Hörer griff, pochte ihr Herz bereits wie das eines Sprinters.
    »Geht es Ihnen gut, Maura?«, fragte Anthony Sansone. Ihre Enttäuschung ließ sie schroffer antworten, als sie beabsichtigt hatte. »Warum sollte es mir nicht gut gehen?«
    »Wie ich höre, hat es heute Abend bei Ihnen einige Aufregung gegeben.«
    Es überraschte sie nicht, dass er bereits davon wusste.
    Sansone war wie ein hochempfindlicher Seismograf – nicht das kleine Beben, nicht die leiseste Änderung der Windrichtung entging ihm.
    »Das ist längst ausgestanden«, sagte sie. »Die Polizei ist schon weg.«
    »Sie sollten heute Nacht nicht allein sein. Warum packen Sie nicht Ihre Tasche, und ich hole Sie ab? Sie können hier bei mir auf dem Beacon Hill wohnen, solange Sie es für nötig halten.«
    Sie blickte zum Fenster hinaus, auf die menschenleere Straße, und dachte an die Nacht, die ihr bevorstand. Sie könnte bis zum Morgen hellwach im Bett liegen und auf jedes Knarren, jedes leise Rascheln im Haus lauschen. Oder sie könnte Zuflucht nehmen in seiner Villa, die er gegen eine Welt finsterer Bedrohungen gesichert hatte, von deren Existenz er felsenfest überzeugt war. In seiner mit Samt ausgeschlagenen Festung, angefüllt mit Antiquitäten und mittelalterlichen Porträts, wäre sie sicher und geschützt, doch es wäre eine Flucht in eine düstere, wahnhafte Welt, zu einem Mann, der überall Verschwörungen am Werk sah. Sansone hatte sie immer nervös gemacht; auch jetzt, Monate nach ihrer ersten Begegnung, hatte sie nicht das Gefühl, dass sie ihn je wirklich kennen würde. Er war ein Mann, den sein Reichtum und sein beunruhigender Glaube an die allgegenwärtige dunkle Seite der Menschheit isolierten. In seinem Haus wäre sie vielleicht sicher, aber sie würde sich dort nicht wohlfühlen.
    Draußen war die Straße immer noch still und leer; von dem Streifenwagen war nichts mehr zu sehen. Es gibt nur einen Menschen, den ich heute Nacht hier bei mir haben will, dachte sie. Und das ist der eine Mensch, den ich nicht haben kann.
    »Maura, soll ich Sie abholen kommen?«, fragte er.
    »Das ist nicht nötig«, sagte sie. »Ich komme mit meinem eigenen Wagen.«
    Als Maura Sansones Villa auf dem Beacon Hill das letzte Mal betreten hatte, war es Januar gewesen, und im Kamin hatte ein loderndes Feuer gegen die Winterkälte angekämpft. Aber auch an diesem warmen Sommerabend empfand sie die Atmosphäre des Hauses als frostig; es schien, als hätte der Winter sich dauerhaft in diesen dunkel getäfelten Räumen festgesetzt, wo ernste Gesichter von den Porträts an den Wänden herabblickten.
    »Haben Sie schon zu Abend gegessen?«, fragte Sansone, während er ihre kleine Reisetasche dem Butler übergab, der sich damit diskret zurückzog. »Ich kann den Koch bitten, Ihnen etwas zu machen.«
    Sie dachte an ihr gegrilltes Käsesandwich, von dem sie nur ein paar Happen gegessen hatte. Das konnte man kaum als Abendessen zählen, doch sie hatte keinen Appetit und ließ sich deshalb nur zu einem Glas Wein überreden. Es war ein schwerer Amarone, so dunkel, dass er im Schein des Kaminfeuers fast schwarz wirkte. Sie kostete ihn unter dem kühlen Blick eines von Sansones Ahnen aus dem sechzehnten Jahrhundert, dessen stechende Augen sie von dem Bildnis über dem Sims anstarrten.
    »Es ist schon viel zu lange her, dass Sie zuletzt hier waren«, sagte er, während er in dem Empire-Sessel gegenüber von ihr Platz nahm. »Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Sie irgendwann die Einladung zu unseren wöchentlichen Diners annehmen werden.«
     
    »Ich war zu beschäftigt, um an Ihren Treffen teilnehmen zu können.«
    »Ist das der einzige Grund? Dass sie zu viel zu tun hatten?«
    Sie starrte in ihr Weinglas. »Nein«, gab sie zu.
    »Ich weiß, Sie glauben nicht an unsere Mission. Aber denken Sie immer noch, dass wir ein Haufen von Spinnern sind?«
    Sie blickte auf und sah, dass er den Mund zu einem ironischen Lächeln verzogen hatte. »Ich denke, dass der Mephisto-Club eine beängstigende Sicht der Welt hat.«
    »Und teilen Sie diese Sicht etwa nicht? Sie stehen in Ihrem Sektionssaal und sehen, wie die Opfer von Gewaltverbrechen hereingerollt werden. Sie sehen den Beweis in ihren malträtierten Leichen. Wollen

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