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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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und fein geschwungenen Brauen; kein Schnappschuss, sondern eine Studioaufnahme, wie man sie fürs College-Jahrbuch machen ließ.
    »Wer ist das?«, fragte Maura.
    »Ihr Name war Kelsey Thacker. Eine Collegestudentin, die zuletzt vor sechsundzwanzig Jahren gesehen wurde, als sie von einer Bar in der Nähe ihrer Wohnung nach Hause aufbrach. In Indio, Kalifornien.«
    »Indio?«, echote Maura. Und sie dachte an die zerknüllte Zeitung, die sie aus dem Schrumpfkopf gezogen hatte – eine Zeitung, die vor sechsundzwanzig Jahren gedruckt worden war.
    »Wir haben uns die Vermisstenmeldungen für sämtliche Frauen vorgenommen, die in dem betreffenden Jahr in Indio und Umgebung verschwanden. Kelsey Thackers Name tauchte an allererster Stelle auf. Und als ich ihr Foto sah, war ich mir hundertprozentig sicher.« Sie zeigte auf das Bild. »Ich glaube, dass Kelsey Thacker so ausgesehen hat, bevor der Mörder ihr den Kopf abschnitt. Bevor er ihr die Haut vom Gesicht und Schädel abzog, die er anschließend einschrumpfte und an einer Schnur aufhängte wie irgendeinen perversen Christbaumschmuck.«
    Jane schnaubte aufgebracht. »Ohne einen Schädel können wir keinen Abgleich des Zahnstatus machen. Aber ich bin mir sicher, dass sie es ist.«
    Mauras Blick war immer noch auf das Gesicht der Frau geheftet. Leise sagte sie: »Sie gleicht Lorraine Edgerton.«
    »Und auch Josephine. Dunkelhaarig, hübsch. Ich denke, es ist klar, welcher Typ Frau diesen Mörder anzieht. Wir wissen auch, dass er die Nachrichten verfolgt. Er hört, dass Madam X im Crispin Museum gefunden wurde, und vielleicht findet er den ganzen Medienzirkus aufregend. Oder vielleicht ärgert er sich auch darüber. Das Entscheidende ist, dass sich alles um ihn dreht. Und dann entdeckt er Josephines Foto in dem Artikel über die Mumie. Hübsches Gesicht, schwarze Haare. Seiner Traumfrau wie aus dem Gesicht geschnitten. Der Typ Frau, der ihn offenbar wieder und wieder zum Mörder werden lässt.«
    »Und das lockt ihn nach Boston.«
    »Sicher hat er auch diesen Artikel hier gesehen.« Jane klickte einen weiteren Beitrag aus dem Archiv des Boston Globe an, in dem es um die Moorlady ging: FRAU FINDET LEICHE IM KOFFERRAUM Begleitet war der Artikel von einem Archivfoto von Maura mit der Bildunterschrift:
    »Rechtmedizinerin: Todesursache noch ungeklärt.«
    »Es ist das Foto einer weiteren attraktiven Frau mit schwarzen Haaren«, sagte Jane. Sie sah Maura an. »Vielleicht ist dir die Ähnlichkeit nie aufgefallen, aber mir schon. Als ich dich und Josephine das erste Mal in einem Raum gesehen habe, dachte ich, du könntest ihre ältere Schwester sein. Deswegen habe ich die Kollegen von Newton gebeten, ein Auge auf dein Haus zu haben. Es wäre vielleicht keine schlechte Idee, wenn du die nächsten Tage woanders schlafen würdest. Und du könntest auch mal darüber nachdenken, dir einen Hund zuzulegen. Einen möglichst großen und kräftigen. »
    »Ich habe eine Alarmanlage, Jane.«
    »Ein Hund hat Zähne. Und er würde dir Gesellschaft leisten.«
    Jane stand auf und wandte sich zum Gehen. »Ich weiß, du legst großen Wert auf deine Privatsphäre. Aber manchmal ist es für eine Frau einfach besser, wenn sie nicht allein ist.«
    Aber ich bin allein, dachte Maura wenig später, als sie Janes Wagen nachsah, bis er in der Nacht verschwunden war. Allein in einem Haus, wo nicht einmal ein Hund mir Gesellschaft leistet.
    Sie schaltete ihre Alarmanlage scharf und ging im Wohnzimmer auf und ab, ruhelos wie ein Tier im Käfig, während ihr Blick ein ums andere Mal vom Telefon angezogen wurde.
    Schließlich konnte sie der Versuchung nicht länger widerstehen. Sie kam sich vor wie ein Junkie, als sie zum Hörer griff und mit zitternden Fingern Daniels Handynummer wählte. Geh bitte dran. Sei für mich da.
    Die Mailbox sprang an.
    Sie legte auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, und starrte das Telefon an. Das hartnäckige Schweigen des Apparats erschien ihr wie ein Verrat. Heute Nacht brauche ich dich, dachte sie, aber ich kann dich nicht erreichen. Du warst immer schon unerreichbar für mich, denn du gehörst nun einmal deinem Gott.
    Grelles Scheinwerferlicht zog ihren Blick zum Fenster.
    Ein Streifenwagen des Reviers Newton fuhr im Schritttempo an ihrem Haus vorbei. Sie winkte dem Polizisten am Steuer zu, dessen Gesicht sie nicht sehen konnte – dem Mann, der in dieser Nacht über sie wachte, weil der, den sie liebte, es nicht tat, es nicht tun konnte. Und was sah dieser Streifenpolizist,

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