Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
Tradition. Normalerweise wurden die Binden in geschmolzenes Harz eingetaucht. Als man in den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts die ersten Mumien auswickelte, musste man die Bandagen teilweise abhebeln. »
    »Wozu diente das Harz eigentlich?«, fragte Frost.
    »Damit hat man die Bandagen verklebt, sodass sie steif wurden und eine Art Pappmaschee-Hülle bildeten, die den Inhalt schützte.«
    »Ich bin schon durch die innerste Schicht durch«, sagte Maura. »Da klebt nirgendwo Harz dran.«
    Jane reckte den Hals, um sehen zu können, was sich unter den Leinenbinden verbarg. »Das ist ihre Haut? Sie sieht aus wie altes Leder.«
    »Leder ist ja auch nichts anderes als getrocknete Haut, Detective Rizzoli«, bemerkte Robinson. »Mehr oder weniger.«
    Maura griff nach der Schere und schnitt die einzelnen Streifen vorsichtig ab, um ein größeres Stück Haut freizulegen. Sie sah aus wie braunes Pergament, das um die Knochen gewickelt war. Noch einmal drehte Maura sich zu den Röntgenbildern um und schwenkte dann ein Vergrößerungsglas über die Wade.
    »Ich kann keine Eintrittsöffnung in der Haut entdecken.«
    »Es ist also keine postmortale Verletzung«, sagte Jane. »Das passt zu dem, was wir auf dem Röntgenfilm gesehen haben.
    Dieser Fremdkörper ist wahrscheinlich eingedrungen, als sie noch am Leben war. Sie hat danach noch so lange gelebt, dass der gebrochene Knochen Gelegenheit zum Verheilen hatte und die Fleischwunde sich schließen konnte.«
    »Wie lange wird das gedauert haben?«
    »Ein paar Wochen. Vielleicht einen Monat.«
    »In der Zeit musste sich doch irgendjemand um sie kümmern, nicht wahr? Sie musste irgendwo untergebracht und mit Nahrung versorgt werden.«
    Maura nickte. »Das erschwert die Bestimmung der Todesart noch zusätzlich.«
    »Der Todesart?«, fragte Robinson. »Was meinen Sie damit?«
    »Mit anderen Worten«, erklärte Jane, »wir fragen uns, ob sie ermordet wurde.«
    »Wir wollen zunächst einmal die drängendste Frage klären«, sagte Maura und griff nach dem Skalpell. Durch die Mumifizierung war das Gewebe zäh wie Leder, und die Klinge drang nur mit Mühe durch das eingetrocknete Fleisch.
    Jane schielte über den Tisch hinweg nach Dr. Pulcillo und sah, wie sie die Lippen zusammenpresste, als müsse sie sich beherrschen, um nicht zu protestieren. Aber so ablehnend sie der Prozedur auch gegenüberstehen mochte, so wenig brachte sie es fertig, den Blick abzuwenden. Alle beugten sich neugierig vor, sogar Frost mit seiner Sporenphobie, und starrten gebannt auf das freigelegte Stück Bein, als Maura nun nach der Zange griff und sie in den Einschnitt senkte. Nur wenige Sekunden musste sie in dem eingeschrumpften Fleisch herumstochern, dann schloss sich die Zange um das gesuchte Objekt.
    Maura ließ es in eine Schale aus Edelstahl fallen, und es landete mit metallischem Scheppern.
    Dr. Pulcillo sog hörbar die Luft ein. Das war keine Speerspitze und auch keine abgebrochene Messerklinge.
    Maura sprach das Offensichtliche schließlich aus. »Ich glaube, jetzt können wir mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass Madam X keine zweitausend Jahre alt ist.«
     
    »Ich verstehe das nicht!«, murmelte Dr. Pulcillo. »Das Leinen ist doch analysiert worden. Die Radiokarbondatierung hat das Alter bestätigt.«
    »Aber das ist eine Pistolenkugel«! sagte Tane und deutete auf die Schale. »Eine Zweiundzwanziger. Da kann etwas mit Ihrer Analyse nicht gestimmt haben.«
    »Das ist ein angesehenes Labor! Sie waren sich ganz sicher, was die Datierung betrifft.«
    »Sie könnten beide recht haben«! bemerkte Robinson leise.
    »Ach ja?« Tane sah ihn an. »Wie soll das denn gehen?«
    Er holte tief Luft und trat vom Seziertisch zurück, als brauchte er Platz zum Nachdenken. »Ab und zu sehe ich welche zum Verkauf angeboten. Ich weiß nicht, wie viel davon echt ist! Aber ich bin sicher, dass es auf dem Antiquitätenmarkt ganze Geheimlager mit genuiner Ware gibt.«
    »Wovon sprechen Sie?«
    »Von Mumienbinden. Die sind leichter aufzutreiben als die Körper selbst. Ich habe sie schon auf eBay gesehen.«
    Tane lachte verblüfft auf. »Sie können ins Internet gehen und Mumienbinden kaufen?«
    »Früher gab es einen schwunghaften internationalen Handel mit Mumien. Sie wurden zermahlen und als Medizin verkauft.
    Oder als Dünger nach England verschifft. Reiche Touristen haben sie mit nach Hause genommen und regelrechte Enthüllungspartys gefeiert. Man lud seine Freunde ein und ließ sie zusehen, wie man die Bandagen

Weitere Kostenlose Bücher