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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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wie ein übelriechender, schwefliger Atemhauch – nur dass die Opfer längst nicht mehr atmeten. »Leichenatem«, so nannte Jane es, und der leiseste Hauch davon verursachte ihr Übelkeit.
    Doch Madam X strömte keine soIchen üblen Gerüche aus, als die Klinge ihre Brust aufschnitt, als Maura systematisch die Rippen durchtrennte und sie mitsamt dem Brustbein heraushob wie einen antiken Harnisch, um die Brusthöhle freizulegen.
    Was da aufstieg, war ein gar nicht einmal so unangenehmer Geruch, der Jane an den Duft von Räucherstäbchen erinnerte.
    Anstatt zurückzuweichen, trat sie noch näher und schnupperte neugierig. Sandelholz, dachte sie. Kampfer. Und noch etwas anderes, das sie an Lakritz und Gewürznelken denken ließ.
    »Nicht ganz das, was ich erwartet habe«, meinte Maura.
    Sie fischte einen getrockneten Gewürzklumpen aus der Brusthöhle.
    »Sieht aus wie Sternanis«, sagte Jane. »Nicht traditionell, nehme ich an?«
    »Myrrhe wäre traditionell«, antwortete Pulcillo. »Ein geschmolzenes Harz. Man benutzte es, um den strengen Geruch zu überdecken und den Leichnam noch starrer zu machen.«
    »Es ist nicht gerade einfach, Myrrhe in größeren Mengen zu beschaffen«, sagte Robinson. »Das erklärt vielleicht, warum andere Gewürze als Ersatz verwendet wurden.«
    »Ob Ersatz oder nicht, dieser Leichnam scheint sehr gut konserviert zu sein.« Maura zupfte ein paar Leinenballen aus dem Abdomen und legte sie zur späteren Analyse in eine Schale.
    Sie spähte in den ausgehöhlten Rumpf und stellte fest: »Hier ist alles trocken wie Leder. Und es ist kein Verwesungsgeruch zu bemerken.«
    »Wie wollen Sie dann die Todesursache ermitteln?«, fragte Frost. »Wenn es keine inneren Organe gibt?«
    »Das kann ich nicht. Noch nicht.«
    Er betrachtete die CT-Aufnahmen am Leuchtkasten. »Was ist mit dem Kopf? Das Gehirn fehlt ja auch.«
    »Der Schädel ist unversehrt. Ich habe keine Frakturen erkennen können.«
    Jane starrte den Mund der Leiche an, die groben Stiche, mit denen die Lippen zusammengenäht waren, und sie zuckte innerlich zusammen, als sie sich vorstellte, wie die Nadel das empfindliche Fleisch durchbohrt hatte. Ich hoffe, es ist nach dem Tod passiert und nicht davor. Nicht, solange sie noch etwas spüren konnte. Schaudernd wandte sie sich ab, um das Computertomogramm zu betrachten. »Was ist denn das Helle da?«, fragte sie. »Sieht aus, als befände es sich im Mund.«
    »Da sind zwei metallische Verdichtungen in ihrem Mund zu erkennen«, sagte Maura. »Bei der einen scheint es sich um eine Zahnfüllung zu handeln. Aber da ist auch etwas in der Mundhöhle, etwas wesentlich Größeres. Es könnte erklären, wieso ihr der Mund zugenäht wurde – nämlich um sicherzustellen, dass dieser Gegenstand an Ort und Stelle blieb.« Sie griff zur Schere.
    Das Nahtmaterial war kein einfaches Garn, sondern Leder, und die getrockneten Streifen waren steinhart. Auch nachdem Maura sie durchtrennt hatte, klebten die Lippen noch zusammen, als wären sie in dieser Stellung erstarrt; der Mund ein starrer Schlitz, den man mit Gewalt aufheben musste.
    Maura schob die Spitze einer Arterienklemme zwischen die Lippen der Leiche, und das Metall raspelte über die Zähne, als sie die Öffnung behutsam weitete. Plötzlich gab es ein scheußliches Knacken im Kiefergelenk, und Jane zuckte zusammen, als der Knochen brach und der Unterkiefer schlaff herabfiel.
    Ebenmäßige Zähne kamen zum Vorschein, so makellos, dass jeder moderne Kieferorthopäde stolz gewesen wäre, sie als sein Werk bezeichnen zu können.
    »Dann wollen wir mal sehen, was dieses Ding in ihrem Mund ist«, sagte Maura. Sie schob die Arterienklemme hinein und zog eine rechteckig geformte Goldplakette heraus, die sie in der Stahlschale ablegte, wo sie mit leisem Klirren liegen blieb.
    Alle starrten das Ding verblüfft an.
    Plötzlich fing Jane an zu lachen. »Da hat aber jemand einen ganz schön makabren Sinn für Humor«, meinte sie.
    In das Gold waren auf Englisch folgende Worte geprägt: Ich habe die Pyramiden besucht Kairo, Ägypten Maura drehte den Gegenstand um. Auf der Rückseite waren drei Symbole eingraviert: eine Eule, eine Hand und ein angewinkelter Arm.
    »Es ist eine Kartusche«, sagte Robinson. »Ein persönliches Siegel. Die werden in ganz Ägypten als Souvenirs verkauft. Sie nennen dem Goldschmied Ihren Namen, und er übersetzt ihn in Hieroglyphen und graviert ihn an Ort und Stelle für Sie ein.«
    »Was bedeuten diese Symbole?«, fragte Frost. »Ich

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