Grabkammer
gemeinsam ihren Opfern nach. Wie ein Wolfsrudel, das seine Beute zur Strecke bringt.«
»Noch interessanter finde ich, dass Medea plötzlich alle Anschuldigungen gegen Bradley Rose fallen ließ und aus Indio verschwand. Und da sie nicht in der Stadt blieb, um gegen Jimmy Otto auszusagen, löste sich auch die Anklage gegen ihn in Wohlgefallen auf.«
»Was kann sie dazu gebracht haben, die Anzeige gegen Bradley fallen zu lassen?«, fragte er.
»Das werden wir nie erfahren.«
Gabriel legte den Bericht weg. »Dass sie das Opfer von Stalkern war, würde erklären, warum sie die Flucht ergriff und untertauchte. Kein Wunder, dass sie sich ständig neue Namen zulegte, um sich den Nachstellungen zu entziehen.«
»Aber ihre eigene Tochter hat das anders in Erinnerung.
Josephine behauptet, Medea sei auf der Flucht vor der Polizei gewesen.« Jane seufzte. »Und das führt geradewegs zum nächsten Rätsel.«
»Welches meinst du?«
»Es liegt nirgends ein Haftbefehl gegen Medea Sommer vor.
Falls sie irgendein Verbrechen begangen hat, scheint niemand etwas davon zu wissen.«
Das alljährliche Grillfest im Garten der Rizzolis war eine Tradition, die nun schon fast zwanzig Jahre zurückreichte, und weder dunkle Wolken noch aufziehende Gewitter konnten die Veranstaltung aus dem Programm kippen. Jeden Sommer baute Janes Vater Frank stolz seinen Grill auf, belud ihn mit Steaks und Hühnchen und schlüpfte für einen Tag in die Rolle des Chefkochs – das einzige Mal im ganzen Jahr, dass er irgendwelche Kochutensilien in die Hand nahm.
Heute jedoch war es nicht Frank, sondern Vince Korsak, Detective im Ruhestand, der einen Tag lang den Grillmeister spielte, der im siebten Fleischfresserhimmel schwebte, als er die Steaks wendete und die extra große Schürze, die er sich vor den ausladenden Wanst gebunden hatte, mit Fettspritzern verzierte. Noch nie zuvor hatte Jane es erlebt, dass ein anderer Mann an ihrem Gartengrill das Kommando übernommen hatte, und es schien ein weiterer Beweis dafür zu sein, dass nichts von Dauer war, nicht einmal die Ehe ihrer Eltern. Einen Monat nachdem Frank Rizzoli seine Frau verlassen hatte, war Korsak auf der Bildfläche erschienen. Und indem er die Rolle des Grillchefs für sich beanspruchte, demonstrierte er der ganzen Nachbarschaft, dass er der neue Mann in Angela Rizzolis Leben war.
Und der neue Herr über die Grillzange würde seinen Posten so schnell nicht wieder räumen.
Während der Donner grollte und düstere Wolken sich am Himmel zusammenzogen, beeilten sich die Gäste, ihre Teller vor dem drohenden Gewitter in Sicherheit zu bringen. Doch Korsak blieb ungerührt am Grill stehen.
»Kommt gar nicht in Frage, dass ich diese leckeren Filets verkommen lasse«, sagte er.
Jane blickte zum Himmel auf, als die ersten Regentropfen fielen. »Alle gehen rein. Wir könnten die Steaks doch auf dem Ofenrost fertigbraten.«
»Machst du Witze? Wenn man sich schon die Mühe macht, gut abgehangenes Rindfleisch zu kaufen und in Schinkenspeck einzuwickeln, dann muss man es auch richtig zubereiten.«
»Auch auf die Gefahr hin, dabei vom Blitz erschlagen zu werden?«
»Als ob ich Angst vor Blitzen hätte.« Er lachte. »He, ich bin dem Tod schon mal von der Schippe gesprungen. Noch so ein ordentlicher Stromstoß kann der alten Pumpe nur gut tun.«
»Aber der Speck da tut ihr ganz bestimmt nicht gut«, meinte sie, während sie zusah, wie das Fett in die Flammen tropfte.
Vor zwei Jahren hatte ein Herzinfarkt Korsak gezwungen, vorzeitig den Dienst zu quittieren, aber das hatte ihm den Appetit auf Butter und Berge von Fleisch nicht verderben können. Und Mom ist da auch keine große Hilfe, dachte Jane, als sie zum Terrassentisch hinüberschaute, wo Angela gerade den in Mayonnaise ertränkten Kartoffelsalat rettete.
Korsak winkte Angela zu, als sie im Haus verschwand.
»Weißt du, deine Mutter hat wirklich mein Leben verändert«, sagte er. »Ich habe mich zu Tode gehungert mit dieser albernen Fisch-und Salat-Diät. Und dann kam sie und hat mir beigebracht, dass ich einfach nur das Leben genießen sollte.«
»Ist das nicht aus irgendeiner Bierreklame?«
»Sie ist ein richtiger Wirbelwind. Mensch, ich kann’s gar nicht glauben, zu was für Sachen sie mich schon überredet hat, seit wir zusammen sind. Gestern Abend hat sie mich dazu gebracht, zum ersten Mal in meinem Leben Tintenfisch zu probieren.
Und dann war da die Nacht, wo wir zum Nacktbaden gegangen sind …«
»Stopp. Das will ich gar
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