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Grablichter - Almstädt, E: Grablichter

Grablichter - Almstädt, E: Grablichter

Titel: Grablichter - Almstädt, E: Grablichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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Arbeit, hat sie den Terminkalender immer mit sich rumgeschleppt«, sagte die Stoppe, nachdem sie Pia einen Platz in ihrer Küche angeboten hatte. Auf dem Küchentisch stand eine Nähmaschine, hinter der die Stoppe sofort wieder Platz nahm und weiterarbeitete. »Wenn sie reiten war oder im Stall, lag der Kalender meistens auf dem Küchentisch rum. Und sie war dauernd bei den Gäulen, die arme Seele …« Meta Stoppe schob den vorgesteckten Stoff unter das Nähfüßchen der Nähmaschine, runzelte konzentriert die Stirn, und die Maschine ratterte los, sodass der Küchentisch vibrierte.
    Pia wartete ab, bis das Geratter der Nähmaschine verstummt war. Die Frau prüfte durch ihre Lesebrille die Naht auf der Rückseite des Stoffes und schürzte verärgert die Lippen. »Ein Stoff zum Weglaufen«, bemerkte sie. »Unglaublich, für was für einen Tinnef die jungen Frauen heutzutage ihr Geld zum Fenster rausschmeißen. Und zu faul, um einfache Vorhänge zu nähen!«
    »Ist das eine Auftragsarbeit?«, fragte Pia.
    »Was denn sonst? Glauben Sie, ich würde mir solchen Firlefanz vor meine Fenster hängen?«, schnaubt die Stoppe. Zumindest das, was Pia bisher von ihrer bescheidenen Behausung gesehen hatte, war firlefanzfrei. Steril geradezu. Die hellgrünen Küchenfronten mit den Edelstahlgriffleisten glänzten mit dem kalten Terrazzoboden um die Wette. Die Fensterbänke warenleer, die Scheiben blank geputzt. Im Haus der Stoppe waren offenbar höchstens achtzehn Grad Raumtemperatur vorgesehen, und ein kalter Luftzug strich unter der mehrere Zentimeter hohen Türritze hindurch. Es roch nach Essigreiniger. Unter ihrer Strickjacke trug die Stoppe einen dicken grauen Rollkragenpullover. Pia bereute bereits, ihre Daunenjacke im Flur an die Garderobe gehängt zu haben.
    »Ich kann Ihnen leider nichts anbieten, wie Sie sehen«, sagte die Stoppe und schob ein weiteres Stoffstück unter das Nähfüßchen. »Wenn Sie Durst haben, nehmen Sie sich einfach ein Glas aus dem Schrank. Das Leitungswasser in Kirchhagen ist sehr gesund. Ich trinke es nur. Wieso Geld für Flaschenwasser ausgeben, wenn das Beste ganz billig aus der Leitung kommt?«
    Pias Bemerkung, dass Sie gerade Tee getrunken habe, ging in dem erneuten Rattern unter. Sie beobachtete, wie unter dem gestrengen Blick der Frau eine schnurgerade Naht entstand.
    »Wann waren Sie zuletzt in Lisanne Olsens Haus?«, fragte sie in die Nähpause hinein.
    »Am Montag«, antwortete Meta Stoppe, ohne aufzusehen. »Ich bin um zehn Uhr gekommen, als die Olsen schon weg war, habe sauber gemacht bis um zwölf und bin wieder gegangen. Es war alles wie immer.«
    »Sie haben einen Schlüssel zu ihrem Haus?«
    »Alle geben mir einen Schlüssel! Ich habe elf Putzstellen in Kirchhagen, hauptsächlich im Neubaugebiet, aber auch hier an der Hauptstraße. Der Schlüsselbund hängt im Flur, wenn Sie sich überzeugen wollen.«
    »Kennen Sie alle Schlüssel, oder wie unterscheiden Sie sie?«
    »Unterscheiden? Allein im Schlehenweg stehen sieben fast identische Fertighäuser. Die Schlüssel gleichen sich wie Hühnereier. Ich habe mir Schilder dran gemacht, damit ich mich zurechtfinde.«
    »Ist das nicht etwas leichtsinnig, Namensschilder an Haustürschlüsseln?«
    »Die Polizei, ha? Aber ich bin zwar alt, aber noch lange nicht blöd, junge Frau. Ich habe nur die Vornamen der Damen des Hauses aufgeschrieben, damit die Herren Einbrecher keine Chance haben, sollte ich den Schlüsselbund mal verlieren – was nie passieren wird. Bei den meisten Leuten steht ja nur der Nachname oder dazu der Vorname des Mannes im Telefonbuch. Sehen Sie, ich habe an alles gedacht!«
    »Aber Lisanne Olsen stand sicherlich selbst im Telefonbuch, und der Vorname kommt nicht gerade häufig vor.«
    »Sie steht gar nicht im Telefonbuch, ich habe extra nachgesehen. Außerdem habe ich meinen Schlüsselbund noch nie verloren. Also, was soll’s?«
    Die Befriedigung darüber, auf alles eine passende Antwort parat zu haben, ließ sie von ihrer Näharbeit aufsehen. Sie spießte ein paar Stecknadeln in ein Nadelkissen, das an der Maschine befestigt war. Es hatte die Form und Farbe eines Marienkäfers und wirkte in dieser Umgebung vollkommen deplatziert. Die Stoppe bemerkte Pias Blick.
    »Das hat mir der kleine Jan gebastelt, als er sechs Jahre alt war. Ich bringe es nicht übers Herz, es wegzuschmeißen. Außerdem ist es praktisch.«
    »Jan Dettendorf?«
    »Natürlich. Ich hab’ für seine Eltern geputzt, als er klein war. Ein süßer Bengel. Mein

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