Grablichter - Almstädt, E: Grablichter
auf der sie gewesen war, er selbst aber nicht. Er hatte einen Vertreter für Futtermittel auf dem Hof gehabt, den er schon lange kannte und mit dem er die Zeit verquatscht hatte. Da Lisanne ihmdetailliert von der Versammlung berichten würde, konnte er beruhigt fehlen. Pia ließ sich Namen und Adresse des Vertreters geben, denn der Montagabend oder die Nacht bis in den frühen Dienstagmorgen hinein war ja vom Täter zum Präparieren des Hindernisses genutzt worden. Nach Dettendorfs Aussage war der Vertreter aber um kurz nach neun Uhr schon wieder gefahren, was Dettendorf genügend Zeit gegeben hätte, ungestört ein Stück Draht über dem Geländesprung anzubringen. Am Sonntag war Dettendorf gemeinsam mit Lisanne Olsen ausgeritten, weil er ein Pferd auf dem Hof gehabt hatte, das er im Gelände testen wollte, weil er es vielleicht zu kaufen beabsichtigte. Er und Lisanne waren aber zu dem Schluss gekommen, dass die Stute den geforderten Preis nicht wert war. Am Samstag war Dettendorf nachmittags mit Lisanne zusammen in Hamburg gewesen.
Pia war von Frau Burmeister über Lisannes Treffen mit einem Unbekannten am Samstagvormittag unterrichtet worden. Sie hatte sich entschieden, Dettendorf erst einmal noch nichts davon zu sagen. Sie wollte abwarten, ob Frau Burmeister anhand des Videos aus der Überwachungskamera ihre Beobachtung konkretisieren konnte. Stattdessen fragte Pia nach den Details des Hamburg-Ausfluges.
Dettendorf legte das Buch beiseite und sah aus dem Fenster, während er berichtete. Zunächst hatten Lisanne und er in der Innenstadt ein paar Klamotten für ihn gekauft und anschließend im Levantehaus beim Italiener zu Mittag gegessen. Danach waren sie in Richtung Binnenalster gegangen, wo sich Lisanne um 15 Uhr mit jemandem von der Hapag-Lloyd treffen wollte, um etwas Berufliches zu besprechen. Dettendorf war solange an der Alster spazieren gegangen. Später hatten sie sich wieder zusammentelefoniert und im Alsterpavillon gemeinsam Kaffee getrunken. Anschließend hatte Lisanne darauf bestanden,noch in Richtung Elbe zu fahren, um sich zusammen Harrys Hafenbasar und das Erotic Art Museum anzuschauen.
Während seiner Schilderung schien sich Dettendorf immer mehr in die Erinnerung an die letzten gemeinsamen Unternehmungen mit seiner Freundin hineinzusteigern. Seine Gesichtshaut hatte einen rötlichen, fast fiebrigen Farbton angenommen, der mit dem Violett des Veilchens kontrastierte. Seine Augen glänzten.
»Lisanne hatte die Gabe, einen immer wieder zu überraschen. Es war manchmal anstrengend, mit ihr mitzuhalten, aber nie langweilig. Und sie konnte sich für die merkwürdigsten Dinge begeistern, diesen Laden in der Erichstraße zum Beispiel, wo es Kuriositäten aus aller Welt zu sehen gibt. Ich wäre am liebsten gleich rückwärts wieder rausgegangen. Es war klaustrophobisch eng dort drinnen. Lauter Masken, die mich anzustarren schienen. Lisanne machte das nichts aus, sie wollte sich alles anschauen. Wir sind durch das ganze Labyrinth gegangen. Wo ich nur irgend so ein Ding sehe, sah Lisanne die Geschichte, die dahinter steht. Sie war eine tolle Journalistin, es war ein Jammer, dass sie nicht für eine größere Zeitung arbeiten konnte. Andererseits …«
»Ja?«
»Andererseits wäre sie dann sicher irgendwann aus Kirchhagen weggegangen, und ich wollte sie doch bei mir haben – für immer.«
Eine beunruhigende Pause entstand. Hatte Lisanne versucht, sich aus der Beziehung, dieser Umklammerung, zu befreien? Und wenn dem so war, zu welchem Preis?
Dettendorf schilderte den weiteren Verlauf des Samstags, der spät abends bei ihm zu Hause geendet hatte. Anschließend verfolgten Pia und er die Termine in seinem Betriebstagebuch weiter zurück. Sie notierte sich alle Termine, die Lisanne betrafen,konnte aber keinerlei Nutzen aus diesen Informationen ziehen. Es hatte den Anschein, als hätte Dettendorf gern mehr Zeit mit Lisanne verbracht, aber die Leidenschaft für Pferde schien das Einzige zu sein, was diese beiden unterschiedlichen Menschen tatsächlich miteinander verbunden hatte.
Pia zog noch einmal die Kopie des Zeitungsausschnittes hervor, der in Lisannes Auto gefunden worden war, und gab sie Dettendorf.
»Was ist das?«
»Haben Sie den Artikel schon mal irgendwo gesehen?«
»Sollte ich? Marion Burmeister und Henriette Mühlberg würde ich sagen, beide in jungen Jahren. Der Artikel muss uralt sein. Den Typen kenne ich, glaube ich, nicht. Aber was hat das mit Lisanne zu tun?«
»Wir wissen es noch
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