Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
über 500 Arbeitskräfte zur Unterstützung nach Huangwan abgezogen. Sie waren zwei Tage unterwegs. Als sie angekommen waren, richteten sie sich dort einen Tag lang ein, suchten einen Tag lang nach Handwerkszeug. Da keine Verpflegung da war, schliefen sie vor Hunger auch noch einen Tag und dann marschierten sie weitere zwei Tage wieder zurück – so vergeudeten sie acht Tage und hatten nur einen halben Tag gearbeitet. Das Ende vom Lied: Den eigenen Weizen hatte der Regen getroffen und es gab einen sehr großen Schaden. [271]
Derart absurde Aktionen gab es jede Menge: In der Produktionsbrigade Qiaoshan der Volkskommune Xiaoxihe hatte auf acht Mu der Weizen bereits Wurzeln geschlagen, als von den Kadern der strikte Befehl kam, die Felder umzupflügen und Erbsen zu pflanzen, was dazu führte, dass am Ende nicht ein Korn und keine Erbse geerntet wurde.
Die Produktionsgruppe Jianxi der gleichen Produktionsbrigade hatte im Frühjahr auf 80 Mu Erdnüsse ausgesät, insgesamt 1200 Pfund Saatgut, doch im Herbst betrug die Ernte nur dreieinhalb Pfund. Die Produktionsgruppe Qintang der Produktionsbrigade Xintian hatte im März 1960 sieben Mu Weizen gepflanzt, aus blindem Eifer brachten sie als Hilfe für die Setzlinge 100 Pfund Dünger pro Mu aus, was nicht nur den Weizen verbrannte, sondern sogar das Gras.
Die Untersuchungskader der Produktionsbrigade Guangming machten Regen- zu Erntetagen und setzten die Schösslinge bei trockenem Wetter. Die Produktionsbrigade von Changtang zwang ihre Kommunemitglieder, 250 Mu Nassfelder mit Tabak zu bepflanzen, auf denen dann nicht ein Blatt geerntet wurde. [272]
Das Kreiskomitee verlangte Dichtpflanzungen, und zwar von einer nicht mehr vernünftigen Dichte. Es hieß: »Ausgesät« wird »in Reihen« oder gar nicht, es wird eine ausreichende Zahl von Saat in den Boden gebracht oder gar nicht, es wird eine bestimmte Menge von Dünger aufgebracht oder gar nicht, die »Felder werden rechtwinklig mit Bewässerungsgräben« angelegt oder gar nicht. Außerdem sollte in der Landwirtschaft Motor-, Wasser- und Windkraft zum Einsatz kommen, der Transport sollte mobilisiert werden, die Gefährte sollten Kugellager bekommen, mit dem Resultat, dass die Bauern draufzahlten und es die Mühe nicht lohnte.
Von der Volkskommune Liufu kam die Anweisung, dass durchweg nur Trockensetzlinge und keine Wassersetzlinge gesetzt werden dürfen. Wang Guizhen, Produktionsgruppenleiter in der Produktionsbrigade Liufu, bepflanzte, angepasst an die Bodengegebenheiten, ein Mu mit Halbtrockensetzlingen. Als der Brigadesekretär davon erfuhr, wurde Wang auf einer Versammlung bekämpft. Wang sagte zu seiner Rechtfertigung: »Ich habe das getan, damit wir mehr Getreide bekommen.«
Der Sekretär sagte: »Wenn die Partei das sagt, dann pflanzt du Nasssetzlinge und bist ein guter Kader, auch wenn du kein Korn erntest; und wenn du nicht auf die Partei hörst, dann bist du ein schlechter Kader und wenn du noch so viel Getreide bekommst.« Am Ende wurde Wang entlassen. [273]
Jedes Mal, wenn so eine »zentrale Aufgabe« kam, mussten die Kommunemitglieder mobilisiert werden und bei Wind und Wetter Tag und Nacht »einen Sturmangriff in einem bitteren Krieg« führen, auf den Baustellen wurden »Bataillone und Feldlager errichtet«. Bei vielen Frauen kam es aufgrund des Hungers und der Arbeitsüberlastung zu einem Aussetzen ihrer Periode, zu einer Senkung der Gebärmutter und ähnlichen Krankheiten. Der andauernde Hunger und die andauernde Arbeitsüberlastung führten auch zu einer Unmenge unnatürlicher Todesfälle.
Der massenhafte Abzug von Arbeitskräften schwächt die Produktion der Landwirtschaft: Auf dem Höhepunkt der Eisen- und Stahlbewegung waren über 63000 Personen an der Eisen- und Stahlfront. Vom 10. November 1959 bis zum 8. Mai 1960 wurden tagtäglich zwischen 30000 und 50000 Arbeitskräfte aus den ländlichen Gebieten bei Wasserbauarbeiten eingesetzt, zu Spitzenzeiten waren es sogar 70000, das waren 63 Prozent der gesamten Arbeitskräfte. Außerdem waren über 3700 Arbeitskräfte lange Jahre beim Eisenbahnbau und über 2000 beim Straßenbau.
Das Kreiskomitee plante 1959 eine Steigerung der industriellen Gesamtproduktion im Vergleich zum Vorjahr um das 14fache, die Zahl der Arbeiter und Angestellten in der Industrie stieg von 924 im Jahr 1957 auf 8724 im Jahr 1961. Außerdem wurden über 25000 bäuerliche Arbeitskräfte in die Industrie verlegt. Die Herbstsaat war noch nicht beendet, als die
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