Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
nicht mehr tragen. In einem Dorf an der Westseite von Fanghu gab es eine Familie Yang: Wenn da ein Erwachsener starb, wurde er nicht hinausgetragen. Es waren nur noch zwischen drei und acht Jahre alte Kinder übrig, die ein paar Monate überlebten, weil sie das Fleisch der Erwachsenen gegessen haben. Später dann hat man in diesem Haus einen großen Haufen Menschenknochen weggeschafft. Die Kinder sagten, die Fersen und Handflächen eines Menschen schmecken am besten.
Wie viele Menschen waren nun in Xinyang ums Leben gekommen?
Das Gebietskomitee von Xinyang sprach in einem Bericht an das Provinzkomitee von über 380000 Menschen [Anmerkung des Verfassers: Die Lokalchroniken sprechen von 483000 Personen]. In einem von einer Untersuchungskommission des Zentralkomitees unter der Leitung von Li Jian und Li Zhenghai erstellten Bericht ist von einer Million und 50000 Toten die Rede. Ich glaube, diese Zahl ist nicht zu hoch gegriffen. Ich komme aus Huaibin. Von den über 400000 Menschen in diesem Kreis sind allein 180000 gestorben, in der Volkskommune von Fanghu (wo meine Familie lebt) starben von 50000 über 20000, das sind 42 Prozent. In der Produktionsbrigade, zu der meine Familie gehörte, waren es 52 Prozent, von den 75 Personen der Produktionsgruppe, zu der meine Familie gehörte, starben 38 in den zwei, drei Wintermonaten des Jahres 1959, in meiner Familie allein sechs: mein Vater, zwei Onkel, zwei Tanten und der Stiefsohn eines Onkels.«
In seinen Erinnerungen über die Ereignisse in Xinyang schreibt Yu Dehong:
»Obwohl es in den 18 Kreisstädten in der Region unterschiedlich gut und schlecht war, die Katastrophe unterschiedlich schwer war und unterschiedlich viele Menschen verhungerten, so waren die Unterschiede doch nicht sehr groß. Es gab kein Bauernhaus, in dem nicht verhältnismäßig sehr viele Menschen verhungerten […] Im Allgemeinen lag die Zahl der Toten in den Dörfern, von denen ich wusste, bei etwa der Hälfte der Einwohner […]
Im Dezember 1959 habe ich auf dem Weg nach Hause auf den nur neun Meilen von Baoxin nach Fanghu am Straßenrand etwa zehn Leichen gesehen, bei manchen war das Fleisch von Gesäß und Oberschenkeln bereits weggeschnitten, womöglich war das von anderen gegessen worden. Ich war vollkommen erschüttert. Fast auf allen Dörfern kam es zu Kannibalismus, sehr viele tragische und repräsentative Fälle, aber ich bringe es nicht über mich, noch einmal davon zu sprechen.« [36]
Yu Wenhai, ein alter Bauer und früher Buchhalter einer kleinen Produktionsgruppe in der Gemeinde Fanghu, Kreis Huaibin, erinnert sich:
»Mein Vater, meine Mutter, mein Großvater, meine Großmutter, meine Oma väterlicherseits, meine beiden Schwestern und ein Baby – alle verhungert. In einer Grube im Westen des Dorfs sind über hundert Leute vergraben. Damals kam auf vier Höfe eine Volksküche. Der Yu-Hof, der Gao-Hof, der Cai-Hof und der Xu-Hof haben sich komplett zum Essen auf dem Yu-Hof versammelt. Uns wurden die Töpfe weggenommen, man durfte zu Hause nicht mehr kochen, wir hatten nicht einmal mehr etwas, um Wasser zu kochen, also haben wir notgedrungen in Emailletöpfen unser Trinkwasser abgekocht. Es war schon schwierig, wenn man zu Hause wildes Gemüse zubereiten wollte.
In manchen Familien haben sie ihre Hungertoten nicht hinausgetragen, sondern sie im Haus gelassen und sie mit einer Decke zugedeckt. Warum sie sie zu Hause behalten haben? Zum einen, weil sie die Kraft nicht hatten, sie hinauszutragen; zum anderen konnten sie in ihrem Namen bei den Volksküchen eine Portion mehr bekommen. Die Leichen blieben einen Winter lang in den Häusern, Mäuse und Ratten haben ihnen die Nasen und Augen weggefressen.
Dass es zu Kannibalismus kam, war kein Einzelfall. Ich habe selbst Menschenfleisch gegessen. Das war auf dem Yao-Hof der Produktionsbrigade; ich habe den Leiter der Produktionsgruppe Yao Dengju gesucht, um eine Versammlung abzuhalten. In seinem Büro roch es nach Fleisch.
Er sagte: ›Iss Fleisch!‹
Ich sagte: ›Was für ein Fleisch ist das?‹
Er sagte: ›Fleisch von einem toten Schwein.‹
Ich machte den Topf auf, griff mir ein Stück und steckte es in den Mund, es war ganz weich.
Ich sagte: ›Das ist kein Schweinefleisch.‹
Er sagte, das hätte jemand von einem Toten in der Erde heruntergeschnitten, (an diesem Punkt seiner Erzählung fragte mein Fahrer, ob Menschenfleisch denn gut schmecke. Yu Wenhai gab zur Antwort: ›Es schmeckt sehr gut! Auch wenn es ein bisschen weich
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