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Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)

Titel: Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yang Jisheng
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sie in Stücke, zermahlte sie zu einem Mehl, mischte getrocknete Süßkartoffeln unter und machte Brötchen daraus.
    Man aß den Kot von Seidenreihern. Der Seidenreiher ist ein Wasservogel und ernährt sich von Fisch. Sein Kot hat eine bläulich-weiße Farbe und ist geruchlos. Die hungernden Menschen trugen den Seidenreiherkot nach Hause, wuschen ihn, taten ihn in einen Topf, bis er gar war, und aßen ihn.
    Wildes Gemüse, Erdnusssprossen, Ratten, Spatzen, Graswurzeln, Baumrinde, Muschelschalen, Watte und vieles mehr waren ausgezeichnete Ersatznahrungsmittel. [35]  
    Der Journalist Lu Baoguo erinnert sich: »Die zweite Jahreshälfte von 1959 bin ich mit einem Überlandbus von Xinyang über Luoshan nach Gushi gefahren. Wenn man aus dem Fenster nach draußen sah, konnte man im Straßengraben ein um die andere Leiche liegen sehen. Die Fahrgäste wagten nicht einmal, von den verhungerten Menschen zu sprechen. Vor dem Westtor der Kreisstadt Luoshan sah ich eine Leiche, rief bei dem Kreiskomitee an und schilderte ihnen die Situation. Im Kreis Guangshan sind am meisten Menschen verhungert, ein Drittel der Bevölkerung, sie sind familienweise verhungert, ganze Familien sind ausgestorben. Aber die Führungskader lebten in Saus und Braus. Ich wohnte im Gästehaus des Kreiskomitees von Gushi, der Kreiskomiteesekretär Yang Shoujin lud die Leute zu Glasnudelsuppe mit Einlage ein.«
    Ich fragte ihn: »Die Journalisten der Nachrichtenagentur Xinhua haben die Pflicht, dem Zentralkomitee die Lage zu schildern. Warum haben Sie keinen ›internen Bericht‹ geschrieben?«
    Er antwortete: »Wer wahrheitsgetreu schilderte, was er gesehen hat, war ungeheuerlichen Grausamkeiten ausgesetzt. Wo hätte ich den Mut für einen ›internen Bericht‹ hernehmen sollen?«
    Yu Dehong (von 1959 bis 1960 Sekretär von Zhang Shufan, dem Gebietskommissar von Xinyang) hat dem Verfasser aus der Erinnerung erzählt:
»Das Getreide war im staatlichen Ankauf verschwunden, die Herbsternte war gerade vorbei, die Bauern hatten nichts zu essen. Wir kamen nach Shisaipu, einem kleinen Ort im Kreis Suiping, um die Produktion der Bauern zu inspizieren. Der Weg führte durch die Produktionsbrigade Grünsteinbrück, dort wollten wir unser Quartier beziehen. Der Brigadeleiter stand völlig neben sich und wir sagten zu ihm: ›Nur keine Umstände, mach uns irgendetwas Kleines zu essen, das genügt.‹
Erst abends um halb zehn schaffte er etwas zu essen heran, ein Mus aus ein paar Stücken Melone. Der Brigadeleiter sagte: ›Sie haben versucht, es zu verstecken, aber es ist ihnen nicht gelungen. Wenn ihr nicht gekommen wärt, hätte es kein Melonenmus gegeben. Die Volksküche ist seit ein paar Tagen zu, wir haben das ganze Dorf abgesucht, um diese beiden kleinen Melonen aufzutreiben.‹
Wir kamen zur Produktionsbrigade Wangmiao der Volkskommune Dongyuemiao im Kreis Xi. Es war schon halb sechs, aber es war noch niemand auf den Feldern. Auf die Frage, warum das so sei, sagte ein Bauer: ›Wir haben heute noch nichts gegessen!‹ Wir sahen außerdem zwei gefällte Ulmen, die Rinde war abgeschält, und da waren auch noch Leute, die gleichzeitig schälten und aßen.
Am nächsten Tag waren wir in Tangpo, die Hirse hatte noch nicht ausgeschlagen, also haben wir grüne Hirsestängel gegessen.
Das war die Situation nicht einmal einen Monat nach der Herbsternte. Später wurde die Lage noch viel schlimmer. Kurz darauf stellten die Volksküchen grundsätzlich den Betrieb ein. Mit Beginn des Zehnten Monats nach dem Bauernkalender waren Graswurzeln und Baumrinde abgenagt. Und danach sind sehr viele verhungert. Meine Familie lebte in Fanghu im Kreis Huaibin; ich bin zweimal hingefahren. Vor dem Frühlingsfest habe ich auf den paar Kilometern von Baoxin nach Fanghu an der Straße sechs Leichen gesehen. Als ich nach Fanghu kam, das fünf Kilometer von meiner Familie entfernt ist, lagen auf beiden Seiten die Leichen; es waren über hundert, sie lagen einfach da, niemand hatte sie beerdigt. In den Schilfteichen auf beiden Seiten des Wegs nach Hetang sah ich wieder über hundert Leichen. Draußen erzählte man sich, Hunde würden die Leichen fressen und sie bekämen von dem Menschenfleisch ganz rote Augen. Aber das entsprach nicht den Tatsachen – wo hätten da noch Hunde herkommen sollen, die waren doch längst von den Menschen gefressen worden!
Anfangs hat man die Toten noch hinausgetragen, sie auf ein Türbrett gelegt und sie mit einem Ochsen fortgeschleppt, später konnte man sie

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