Grabstein - Mùbei: Die große chinesische Hungerkatastrophe 1958-1962 (German Edition)
Unterernährung erkrankten Personen liege bei 24,2 Prozent. In den Produktionsbrigaden gebe es pro Kopf und Monat 12 Pfund Getreide und das auch nur noch bis zum Februar des kommenden Jahres. Im Bericht heißt es weiter, in über 1800 solcher Produktionsteams des Gebietes sehe es genauso aus, das seien etwa 40 Prozent aller Produktionsteams. [120]
Kreis Min: Die Arbeitsgruppe für die ländlichen Gebiete des Provinzkomitees sagt in ihrem »Bericht über die Probleme im Kreis Min« [121] vom 19. August 1960 an das Provinzkomitee, die Probleme im Kreis Min seien ausgesprochen schwerwiegend. Im gesamten Kreis seien über 50000 Personen an Wassersucht erkrankt und über 21900 Personen seien zu Tode gekommen, das seien 3,16 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Kreis Wuwei: Für das schwierigste Jahr 1960 ist kein Zahlenmaterial vorhanden. Bis zum ersten Monat nach dem Mondkalender 1962 war hier die Lage noch immer verhältnismäßig ernst. Das Gebietskomitee von Wuwei sagt in einem Bericht an das Provinzkomitee vom 15. Januar 1962: »8782 Menschen in 1876 Haushalten sind ohne Essen.« [122] Aber nach dem Text dieses Berichts zu urteilen, sieht es aus, als werde hier die wirkliche Lage vor dem Provinzkomitee interpretiert und kaschiert, die wahren Probleme werden nicht berichtet.
Kreis Gannan: Hier herrschte der Hunger bis in den April 1962 hinein. Am 8. April 1962 heißt es in einem Bericht des Gebietskomitees von Gannan an das Provinzkomitee:
»Die Abwanderungen nehmen noch immer zu, ebenso die Krankheitsfälle, überall wird das Ackervieh geschlachtet. Aufgrund des Saatgutmangels besteht in diesem Jahr die Gefahr, dass man nicht alle Ackerflächen wird bestellen können. Im Kreis Lintan fehlen insgesamt 3,69 Millionen Pfund Getreide, der Staat hat lediglich 1,1 Millionen Pfund geliefert, in der Volkskommune Chuangong des gleichen Kreises fehlen 142740 Pfund Saatgut und es fehlen 198956 Pfund Getreide für Nahrungsmittel, insgesamt fehlen also 341696 Pfund Getreide, der Kreis hat 114000 Pfund Saatgut ausgegeben, aber für den privaten Bedarf kein Gramm […] Da es an Saatgut fehlt, haben nicht wenige Volkskommunen und Produktionsteams die Aussaat eingestellt […] einige Bauern haben angefangen, ihr Familienvermögen zu verkaufen, im Tauschhandel. Wassersucht, Auszehrung, Unterernährung bei Kindern grassieren.« [123]
Linxia: 1962 schrieb das Gebietskomitee von Lin Xia an das Provinzkomitee von Gansu einen Bericht über die Probleme bei der völkischen Minderheit der Bao’an: »Das Leben dieses Volkes ist noch schwieriger […] Um ihr Leben zu retten, reißen sie ihre Häuser ab und verkaufen sie, sie verkaufen die Möbel, ihre Kleider, sie verkaufen sogar ihre Söhne und Töchter, und wenn sie alles verkauft haben, sind sie bettelarm. Doch es kommt weiter zu ungewöhnlich vielen Todesfällen. Und diejenigen, die abwandern und betteln gehen, werden täglich mehr.« [124]
Hinter den dürren Todeszahlen stehen blutige Geschichten. Li Lei, lange Zeit Vorsitzende des Frauenverbandes von Gansu, war ein alter Kader noch aus den 40er Jahren in Yan’an, zwischen 1956 und 1961 war sie die Sekretariatsleiterin des Selbstverwaltungsgebiets der völkischen Minderheit der Hui in Linxia. In dieser Zeit wurde sie ständig zu den »rechten Opportunisten« geschlagen, weil sie die Wahrheit sagte. 1999 hat sie im Selbstverlag ihre Erinnerungen Ferne Zeiten herausgebracht, in denen sie über die große Hungersnot in Linxia bisher kaum bekanntes Material liefert, hier einige Auszüge:
»Am 9. Dezember 1959 wurde ich zur Volkskommune Suji im Kreis Hezheng abkommandiert. Die Massen dort hatten nichts zu essen, sie waren abgemagert bis auf die Knochen, sie hatten die Wassersucht und einige starben infolge des Hungers und der Kälte. Von den Ulmen war die Rinde abgeschält, man hatte sie gegessen! Eines Tages kam ein Anruf aus dem Kreis, es hieß, Zhang Pengtu, der stellvertretende Provinzgouverneur, komme zu einer Inspektion nach Lile. Wir wurden angewiesen, noch in der Nacht Leute zu organisieren und die abgeschälten Ulmen an beiden Seiten der Straße zu fällen und sie an einen geheimen Ort zu bringen. Die Leute waren fast verhungert, wo sollten sie die Kraft zum Bäumefällen hernehmen? Wir haben es nicht hinbekommen, es blieben Ulmen stehen, so dass Zhang Pengtu sie sehen musste. Aber dann ist er am Ende gar nicht gekommen. Damals war Genosse Xue Zhentian erster Sekretär des Kreiskomitees von Hezheng. Um
Weitere Kostenlose Bücher