Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi
Hälfte geleert.
Alfie drehte sich wieder zu den Roulettetischen. Er sah gerade noch, wie ein älterer Mann etwas ins Ohr von Jeff Bridges flüsterte. Dann fiel ihm auf, dass sich ein sehr gut aussehender, eleganter Mann mit schulterlangen Haaren an den Black-Jack-Tisch setzte. Wo hatte er den nur schon einmal gesehen? Der Mann schaute zu Alfie herüber und deutete ein Nicken an. Alfie erwiderte es, ohne dass die Erinnerung daran, woher er ihn kannte, zurückgekehrt wäre. Egal, er fühlte sich jedenfalls zugehörig. Ja, an dieses Leben der Kultiviertheit und des Luxus würde er sich gewöhnen können!
Die Croupiers am Roulettetisch wurden ausgetauscht.
Alle Spieler hasteten in dieser kurzen Pause zur Theke, um rasch einen Schluck aus ihren Gläsern zu nehmen. Jemand stieß Alfie in den Rücken, er hörte ein „Verzeihung, bitte!“
Auch Jeff Bridges kam an die Bar und bestellte beim Barkeeper ein Bier. „Meine Güte, wie schnell das gehen kann. Rinnerthaler ist tot“, sagte er zu niemand im Besonderen, aber doch in Hörweite von Alfie und der Herzoginwitwe. Mireille Mathieu war längst von ihrem Hocker gerutscht und hatte sich den jungen Croupier auf seinem Weg in die Pause gekrallt.
„Wer ist Rinnerthaler?“, fragte die Herzoginwitwe.
„Nein! Der Anwalt?“ Alfie war entsetzt. „Der war doch gestern noch mopsfidel. Wollte zum Fußballtraining.“ Tja, es war wie Bridges gesagt hatte, so schnell konnte es gehen. „Herzinfarkt?“
Mit Herzinfarkten kannte Alfie sich aus. Drei der sieben Skat-Freunde seiner Großmutter hatte es mitten im Spiel erwischt, während Alfie gerade Salzstangen oder Käsehäppchen servierte. Er wusste, wie schnell das unergründliche Schicksal ein Lebenslicht ausblasen konnte. Wobei er die erlöschenden Lichter nie gesehen hatte, die drei waren sämtlich erst im Krankenhaus gestorben. Prinzipiell aber kannte er sich theoretisch aus.
Jeff Bridges schüttelte den Kopf. „Nein, kein Infarkt, eine Kugel. Man hat ihn in seinem Büro erschossen. Das muss unmittelbar nach unserem Besuch passiert sein. Ist dir irgendetwas aufgefallen, Jungelchen?“
Alfie schüttelte den Kopf. Wenn er den Herzinfarkt schon nicht glauben konnte, dann erst recht keine Kugel. Erschossen?
„Erst bricht der Falke bei uns ein, jetzt ist der Anwalt tot. Das kann kein Zufall sein!“ Jeff Bridges trank sein Bier auf ex.
Am Roulettetisch ging es weiter. Man rief noch rasch dem Barkeeper Nachbestellungen zu, dann zog die Herde wieder geschlossen zum Grün.
Alfie wandte sich zu seinem Glas, war aber plötzlich unsicher. Zwei volle Gläser standen vor ihm. Hatte er nicht schon an einem genippt? Am Glas von Mireille etwas weiter rechts sah man deutlich Lippenstiftspuren, nicht aber an den Gläsern direkt vor ihm. Hätte sich der Lippenstift für den Mann durchgesetzt, könnte ihm das jetzt eine Hilfe sein. So tat er, was er in diesen Situationen immer tat: abwarten. Wem immer das Glas neben ihm gehörte, er würde seines sicher erkennen. Er schob beide Gläser mittig zwischen seinen Hocker und den Nebenplatz.
Die Herzoginwitwe musterte einstweilen abschätzig zwei Neuankömmlinge, die in diesem Moment das Casino betraten. „Unglaublich, wen die heutzutage alles hereinlassen“, lästerte sie.
Alfie fand die beiden eigentlich ganz respektabel. Sie waren gut gekleidet, nur eben sehr modisch und mit viel Herrenschmuck. Für Seefeld vielleicht einen Tick zu stylish und geschmückt. Aber am Roulettetisch stand unter anderem eine Frau im orangefarbenen Sari. Hier traf sich die Welt, da war auch Platz für Fashion Victims.
Die Modemänner stellten sich neben ihm an die Theke und bestellten Champagner. Auf Französisch.
„Hm“, schnaubte die Herzoginwitwe. In diesen einen Laut und ihre gerümpfte Nase legte sie ihre ganze moralische Kritik.
Alfie überlegte, aus welchem Jahrhundert sie wohl stammen mochte. Dem vorvorigen?
Der Barkeeper stellte noch zwei Champagnerflöten neben Alfie auf die Theke.
Die beiden Franzosen, die einen Blick in den Pokerraum riskiert hatten, kamen zurück, ergriffen zwei der vollen Gläser, prosteten sich zu und tranken.
Unmittelbar darauf griff sich der eine an den Hals und fing an zu röcheln. Es war ein qualvolles, lautes, panisches Röcheln, das sich in die Länge zog, während der Röchelnde die Augen unnatürlich weit aufriss, bis man den Eindruck hatte, die Augäpfel wollten aus dem Schädel springen.
Das wäre jetzt ein Fall für seinen Ex-Chef Schröpp und dessen
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