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Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral

Titel: Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Raubvogelaugen! Ich halte ihn auch für ke i nen Christen – nicht einmal für eine n a rmen i schen!« Crean lächelte. »Ihr«, fuhr der Legat erregt fort, »seid ein guter Mann, fromm und ohne Falsch, das spürt einer mit meiner Erfahrung gleich. Im Dienste des Heiligen Vaters kann man sich nicht genug vorsehen, der Staufer ist zu jeder Teufelei fähig. Gerade hat man mir stolz erzählt im Hafen, daß er Mörder gedungen hat, die den Papst in Lyon beseit i gen sollten. Das schimpfliche Attentat ist fehlgeschlagen, was die verstockten Untertanen des Verfemten offensic h tlich noch bedauern! Deswegen bin ich auch nicht in di e sem Bari geblieben. Drei Kerzen habe ich dem heiligen Nikolaus in der Kathedrale angezündet und ihn um Verg e bung gebeten und um gute Heimkehr! Ich fahr ’ mit Euch bis Venedig!«
    »Ihr hättet gleich ein genuesisches Schiff nehmen sollen, dann wärt Ihr jetzt schon am Ziel«, unterbrach Crean den Redefluß.
    »Ach, Genua«, seufzte der Legat. »Wie oft hängt es sein Fähnchen nach dem Wind – wie oft schwenkte es schon plötzlich ins Lager des Reiches. Bei der Serenissima weiß man, woran man ist. Sie hält es nicht mit dem Papst, noch kümmert sie der Kaiser; sie vertritt zuverlässig und kon s tant nur ein Interesse: das eigene! Ich werde mir einen Schutzbrief kaufen und auf dem Landweg nach Lyon re i sen – und Ihr?«
    »Mich werden Geschäfte vorerst in der Lagune festha l ten«, sagte Crean bescheiden und erwartete mit Ungeduld das Ende der langen Reise, deren beschwerlichster Teil noch vor ihm lag.
    Der Herzenshüter
    Punt ’ razena, Herbst 1246 (Chronik)
    Der Cor-Vatsch, der »Herzenshüter«, ragte oberhalb der guar-da-lej als Wächter über die Seen des Hochtals und seines steilen Abstiegs zum kaiserlichen Chiavenna. Er galt den Saratz als Berg ehelichen Glücks und der Treue. Ve r lobte bestiegen ihn am Ta g d er Hochzeit, um ein let z tes Mal ihre Herzen zu prüfen. Er war ein schroffer G e sell, abweisend; sein ewig eisbedeckter Gipfel lag auch im Sommer meist in den Wolken, oft von heftigen Schne e stürmen umtost. Jetzt im Herbst waren seine G e röllhänge die ersten, die sich schon in winterliches Weiß hüllten.
    Hier hinauf hatte Rüesch heute natürlich ihre Herde g e trieben, nachdem sie vergeblich versucht hatte, mich Schlaftrunkenen zum gemeinsamen Aufbruch zu bew e gen. Ich war ihr mittags nachgeeilt, und fand sie, der Spur ihrer Ziegen folgend, auf einem Felsen in einem weiten Schne e gefilde, das sich bis tief ins Tal erstreckte, bis hinunter zu der sich schlängelnden Saumstraße ins Bergell, die nach Erreichen der Seen, wo die Saratz wachten, sich dann wi e der hinaufwand zum Julier, dem alten Paß der römischen Legionen.
    Ich schämte mich ein wenig, ihr so spät unter die Augen zu treten. Die Sonne stand als brennende Scheibe an e i nem kobaltblauen Himmel, der Schweiß des Aufstiegs und der trunkenen Nacht brach mir aus allen Poren. Und hungrig war ich auch schon wieder. Mit einem – für mich erzwu n genen – Lächeln reichte Rüesch mir eine Schale frischen Quellwassers, das eiskalt aus der Schneedecke sprudelte.
    »Trink nicht so hastig, William«, mahnte sie mich fü r sorglich, »daß dich nicht der Schlag trifft!« Derweil brach sie das Brot und schnitt mir auch ein Stück von ihrem Käse ab. Sie band ihre Schneeschuhe ab, und wir lagerten auf dem trockenen Stein, der wie eine Insel aus der Schne e schicht ragte, welche wie ein gewaltiger Te p pich Mulden und Buckel bedeckte. Nur die Ziegen fa n den immer noch würzige Kräuter, Latschengestrüpp, an dem sie knabbern konnten. Das grelle Licht blendete meine Augen, ich schloß sie gern, auch um ihrem – wie ich meinte – frage n den Blick zu entgehen.
    Das klägliche Piepsen eines Vogels erlöste uns aus dem Schweigen. Rüesch sprang auf, eilte hinter den Felsen und kehrte mi t e inem Mauersegler zurück, behutsam in ihren sicheren Händen geborgen. Er blutete leicht am Fuß, seine Flügel waren unverletzt. Wir fütterten ihn mit speichelg e tränkten Krumen, bis er wieder mit den Schwingen zu schlagen begann.
    »Wirf ihn in die Luft!« war mein Ratschlag, doch Rüesch sah mich mit so weher Miene an, daß ich schwieg.
    »Wenn ich ihn in die Luft werfe«, sagte sie leise, »dann glaubt er, fliegen zu müssen. Wenn er aber fliegen will, dann bedarf ’ s meiner Aufforderung nicht, noch werd ’ ich ihn hindern.« Sie streichelte sein Köpfchen und küßte es. »Willst du aber bleiben, mein

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