Gral-Zyklus 1 - Die Kinder des Gral
die Brieftauben fangen die Falken natürlich vor dem Palast des Sultans ab, damit der alles lesen kann, was die anderen schreiben – und in der Wüste gibt es überhaupt keine Tauben!«
»Doch«, beharrte Yeza, »denn die müssen sie überfli e gen, wie das weite Meer, wenn sie irgendwohin wollen!«
»Da kannst du aber lange warten, bis eine Taube vorbe i kommt!«
»Deswegen hat er ja auch sein Zelt, darin kann er schl a fen!« Yeza ließ sich nicht in die Ecke drängen.
»Sicher meint sie Möwen«, wandte sich Roç noch mal an Lorenz, der lachend sich den Streit angehört hatte.
»Es war der Rote Falke«, bestätigte er die Frage. »Er läßt euch grüßen – wie übrigens auch Crean de –«
»Was?« entfuhr es Clarion in der Tür des Baderaumes. »Der Schuft!« Sie trat funkelnden Auges an den Bottich, in dem Lorenz sich bemühte, seine Blöße zu bedecken. »Er reiste mit Euch, ohne hier vorbeizuschauen? Das sieht dem Kerl ähnlich, sich klammheimlich an Otranto vorbeiz u schleichen! Warum –«
»Laßt Euren Zorn nicht an mir aus!« beschwor sie l ä chelnd der Mönch, den Zerknirschten spielend. »Ich bin nur zufällig hier, weil mich der Venezianer ins Meer we r fen wollte. Crean durfte an Bord bleiben.«
»Ihn hätten sie ins Wasser stoßen sollen – mit einem Mühlstein um den Hals! Der Treulose!«
»Sie liebt ihn nämlich«, erläuterte Yeza dem verschüc h tert wirkenden Lorenz, was ihr einen Klaps eintrug, dem sie geschick t a uswich. »Du bist ein Freund von Will i am?«, und sie spritzten Lorenz, weil er nicht schnell genug an t wortete, und Clarion gleich dazu, weil sie die Pl a gegeister wegzudrängen versuchte.
»Ich glaube, William ist bei den Mongolen.« Lorenz l ä chelte nachsichtig. »Ich verpasse ihn immer – das letzte Mal traf ich statt dessen eine reisende Dame, eine« – er war etwas zögerlich mit dem Ausdruck, auch wegen der Kinder –, »eine Dienerin der amor vulgus –«
»Ach«, krähte Yeza fröhlich dazwischen, »Ingolinda, die Hur!«
»Habt Ihr uns die« – Clarions Blick schweifte zum er s tenmal über die Lenden des Mönchs – »auf den Hals g e schickt? Laßt das die Gräfin nicht wissen, von der höchsten Mauer würdet Ihr ins Meer gestürzt!«
»Es war wichtig«, verteidigte sich Lorenz, »wegen Wi l liam –«
Das löste gleich wieder ein Geschrei der Kinder aus: »William! William! Wir wollen unseren William wiede r haben!«
»Ruhe und ins Bett!« Clarion wußte sich nicht anders zu helfen, als selbst Interesse für William zu zeigen. »Wann kehrt er denn wieder heim von den Mongolen?«
»Das kann Ewigkeiten dauern«, sagte Lorenz und sah sich nach einer Möglichkeit um, bedeckt aus seiner bel a gerten Wanne zu kommen. »Das Land ist weit –«
»Wie weit?« fragte Roç sofort. »So weit wie Konstant i nopel?«
»Zehnmal so weit«, lächelte Lorenz bibbernd.
»Ihr habt in Byzanz meinen Bruder getroffen?«
»Das ist nicht dein Bruder«, quatschte Yeza vorlaut dazwischen, und diesmal konnte sie dem Knuff am Hinte r kopf nicht ausweichen.
»Laß das meine Sorge sein!«
»Hamo liebt sie nämlich!« fühlte sich Roç verpflichtet, den Mönch aufzuklären.
»Hamo ist immer noch mein Sohn«, tönte die scharfe Stimme der Gräfin, »und Ihr solltet vielleicht mir zuerst Bericht geben!«
»Ist er ein vagabundus geworden?« Yeza mußte dieses Wort in der Küche oder Wäschekammer aufgeschnappt haben, vielleicht auch bei den Reitknechten.
»Bockt er Huren, ist er jetzt liederich und verkommen?« wollte Roç noch schnell in Erfahrung bringen, wohl wi s send, daß es nun keinen Pardon mehr gab: die Amme und die Zofen standen schon bereit, sie ins Bett zu bringen.
»Morgen mußt du uns alles erzählen, oder wir ertränken dich!« brüllte Yeza, als sie schon hinausbefördert wurde.
»Euer Sohn lebt im Haus des Bischofs und spielt mis e rables Schach!« erlaubte sich Lorenz den Damen die e r wünschte Antwort zu geben.
»Was?!« entfuhr es der Gräfin schrill. »Bei meinem Neffen – dem Päderasten?« Einen Augenblick hätte man denken können, sie würde den Mönch für diese Auskunft schlagen. »Da möchte der Junge doch lieber allen Drogen des Orients verfallen sein!«
»Was du nicht sagst!« fuhr ihr Clarion in die Parade.
»Also«, sagte Lorenz ruhig und ließ sich von den Mä g den ein Badetuch reichen, »davon war nicht die Rede!« Er begann sich mühsam aus dem Zuber zu erheben. »Aber nun laßt, werte Gräfin, einen alten Knaben züchtig
Weitere Kostenlose Bücher