Gralszauber
zwei Sekunden
später in den Wald zurückgewichen, so hätten sie ihn unweigerlich gesehen.
»Die Schlacht steht nicht gut«, sagte einer der Pikten.
Mordred blickte einige Sekunden lang reglos auf das
Geschehen unter sich hinab und zuckte dann mit den
Schultern. »Das kommt ganz darauf an, von welchem
Standpunkt aus man es betrachtet«, sagte er. »Ich finde,
sie läuft gut. Artus gewinnt. Das sollte er doch, oder?«
Der Pikte machte ein finsteres Gesicht. »Das da unten
sind unsere Brüder, Mordred. Artus wird sie alle töten.«
»Und damit eine ganze Weile beschäftigt sein«, sagte
Mordred schulterzuckend. »Spielt nicht den Überraschten.
Alles läuft ganz genau so ab, wie wir es geplant haben.
Soldaten sind zum Sterben da. Seht es in einem anderen
Licht: Hätten wir Artus’ Heer in einer offenen Feldschlacht schlagen wollen, hätte es Euch weit mehr als
zweihundert Krieger gekostet. Das da unten sind nicht
Eure besten Männer, nehme ich an.«
»Nein«, erwiderte der Pikte düster.
»Dann ist es ein geringer Preis für das, was Ihr am Ende
von mir bekommt … wenn Eure Männer in Camelot ihre
Aufgabe erfüllen, heißt das.«
Camelot? Dulac wurde hellhörig. Was war mit Camelot?
»Das werden sie«, versicherte der Pikte. »Solange sich
die Hexe um den Magier kümmert.«
Mordred fuhr mit einer wütenden Bewegung herum und
packte den Pikten mit beiden Händen am Kragen. »Nennt
sie noch einmal Hexe und ich reiße Euch die Kehle heraus!«, zischte er.
»Ich … verzeiht, Herr«, krächzte der Pikte. Er konnte
kaum sprechen, weil ihm Mordreds Griff den Atem abschnürte. Sein Gesicht hatte alle Farbe verloren. »Ich …
ich meine selbstverständlich Lady Morgaine.«
Mordred hielt ihn noch einen Augenblick lang fest, dann
ließ er ihn los und stieß ihn so derb von sich, dass der
Mann fast gestürzt wäre.
»Ich nehme Eure Entschuldigung an«, sagte er. »Aber
hütet in Zukunft Eure Zunge. Wenn Ihr eine solche Bemerkung in ihrer Nähe macht, dann ist es Eure letzte!«
»Natürlich, Herr«, sagte der Pikte nervös. »Es … verzeiht mir.«
Mordred winkte ab. »Vergesst es. Und was Morgaine le
Faye angeht, so könnt ihr sicher sein, dass sie sich um den
alten Narren kümmern wird. Sie hat noch eine persönliche
Rechnung mit Merlin offen, auf deren Begleichung sie
schon viel zu lange wartet.« Er machte eine herrische Geste. »Reitet nach Camelot und tragt dafür Sorge, dass auch
alles nach Plan verläuft. Ich erwarte Euch und Eure Männer spätestens morgen früh auf Malagon.«
Der Pikte und sein Begleiter entfernten sich hastig, aber
Mordred blieb noch einen Moment stehen und sah reglos
auf die Schlacht hinab. Dann geschah etwas, was Dulac
schier das Blut in den Adern gerinnen ließ: Mordred drehte sich herum, blickte genau in seine Richtung und sagte:
»Ich weiß nicht, wer du bist oder was du willst. Aber ich
weiß, dass du da bist. Du warst auch gestern am See, nicht
wahr?«
Panik stieg in Dulac hoch. Mordred wusste, dass er da
war! Aber wie war das möglich? Dulac hielt vor Schrekken den Atem an, sah sich aber aus den Augenwinkeln
verzweifelt nach einem Fluchtweg um.
»Zeig dich«, verlangte Mordred. »Du hast nichts zu befürchten, darauf gebe ich dir mein Wort!«
Dulac rührte sich nicht. Er hätte es nicht einmal gekonnt,
wenn er es gewollt hätte. Er war vor Schrecken wie gelähmt.
»Gut, ganz wie du willst«, sagte Mordred nach einer
Weile. Er lachte leise. »Ich werde nicht nach dir suchen.
Vielleicht bist du ja nur neugierig. Solange du mir nicht in
die Quere kommst, tue ich dir nichts. Aber hüte dich, meine Pläne zu stören.«
Damit ging er und Dulac blieb mit klopfendem Herzen
zurück. Hätte Mordred beschlossen ihn zu suchen, wäre er
nicht einmal in der Lage gewesen, wegzulaufen. Die Lähmung war von ihm abgefallen, aber er zitterte am ganzen
Leib und sein Herz schlug so schnell, dass er kaum noch
atmen konnte. Wie war es möglich, dass Mordred von
seiner Anwesenheit gewusst hatte? Er war sicher, keinen
verräterischen Laut verursacht zu haben, und der Wald
war selbst hier so dunkel, dass er ihn unmöglich gesehen
haben konnte. Und doch hatte er gewusst, dass er da war.
Andererseits – schließlich hatte auch er umgekehrt
schon zweimal gespürt, dass Mordred in seiner Nähe war,
und dieses Gefühl hatte ihn auch jedes Mal gerettet. Wenn
er Mordreds Nähe fühlte, vielleicht erging es Mordred
umgekehrt ganz genau so.
Was allerdings immer noch keine
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