Gralszauber
Englisch. »Was willst du von uns?«
Lancelot antwortete nicht. Er starrte den Mann nur
schweigend durch die schmalen Sehschlitze seines Helmvisiers an und die Furcht in den Augen des Pikten wurde
zur Panik.
»Wer seid Ihr?«, fragte der Pikte noch einmal, lauter und
in herausforderndem Tonfall, der in Wahrheit aber nur
seine Nervosität unterstrich. »Gebt den Weg frei. Wir haben keinen Streit mit Euch!«
Die Tatsache, dass er zum respektvollen Ihr wechselte
und dem einzelnen Reiter, der sich ihm und seinem Dutzend Begleitern in den Weg stellte, versicherte, keinen
Streit mit ihm haben zu wollen, machte seine Furcht sehr
deutlich.
Lancelot war jetzt sicher, dass er mehr in ihm sah als nur
irgendeinen Ritter, der zufällig seinen Weg gekreuzt hatte.
Vielleicht wusste er ja, wer er war. Und vielleicht, dachte Lancelot, war dies der Moment, um ein paar Antworten
zu bekommen.
»Warum sagt Ihr nichts?«, fragte der Pikte nervös.
»Wenn Ihr nicht reden wollt, dann … dann …«
Er brach ab und suchte sichtlich nach Worten und Lancelot hörte sich zu seiner eigenen Überraschung sagen:
»Ihr könnt in Eurer Sprache reden. Ich verstehe sie.« Und
nicht nur das. Er hatte Piktisch gesprochen, eine Sprache,
die er erst vor wenigen Tagen zum ersten Mal gehört hatte!
Nun waren ihm die Worte so glatt über die Lippen gekommen, als wäre er damit aufgewachsen!
»Dann sagt mir, was Ihr von uns wollt, edler Herr«,
antwortete der Pikte in seiner Muttersprache. »Wir sind in
einer wichtigen Mission unterwegs und haben nicht viel
Zeit!«
Lancelots ausgestreckte Hand deutete auf Uther und
Gwinneth. Er sagte nichts, aber der Pikte verstand die Bedeutung der Geste trotzdem. Er wirkte erschrocken, aber
nicht überrascht, fast so, als hätte er genau das erwartet.
»Ich bin für die sichere Ankunft unserer Gäste verantwortlich, Herr«, antwortete er. »Mordred wird uns alle
töten, wenn wir ohne sie zurückkommen.«
Hinter ihm entstand Unruhe in den Reihen der Pikten.
Die Sehschlitze des Helmes engten Lancelots Gesichtsfeld stark ein, aber er wusste trotzdem, was vor sich ging:
Einige der fremden Krieger lenkten ihre Tiere unauffällig
zur Seite, um in seinen Rücken zu gelangen und ihn so
einzukreisen. Das durfte er nicht zulassen.
»Gebt sie frei«, sagte er. Gleichzeitig zog er sein
Schwert.
Die runenbedeckte Klinge fuhr mit einem scharrenden,
fast gierig klingenden Laut aus der Scheide und funkelte
boshaft im Licht der Morgensonne.
»Das kann ich nicht machen, Herr«, antwortete der Pikte.
»Dann sterbt«, sagte Lancelot.
Diesmal konnte er spüren, wie es geschah, auch wenn es
sich wieder im Bruchteil eines Augenblickes vollzog. Rüstung, Schild und Schwert übernahmen die Kontrolle über
seinen Willen, ohne ihn jedoch vollends auszuschalten.
Anders als vorhin, als er die beiden Wächter niedergeschlagen hatte, war er kein unbeteiligter Zuschauer mehr.
Aber die magischen Waffen schienen ihm zu sagen, was
er zu tun hatte, und Dulac reagierte mit einer Schnelligkeit
und einem Geschick, als hätte er jede einzelne Stunde seines Lebens auf dem Übungsplatz verbracht.
Anders als die Pikten erwartet haben mussten, attackierte er den Krieger vor sich nicht, sondern zwang sein Pferd
auf der Stelle herum und wandte sich den Männern zu, die
in seinen Rücken zu gelangen versucht hatten.
Es waren drei. Lancelot streckte einen mit einem geraden Stich in die Brust nieder, riss den Schild hoch, um
einen Schwerthieb des zweiten zu parieren, und führte
gleichzeitig einen weit ausholenden Streich, an dessen
Ende die Spitze des Runenschwertes den Waffenarm des
dritten Barbarenkriegers traf und glatt durchschlug. Während der Mann mit einem gellenden Schmerzensschrei zu
Boden fiel, führte er die begonnene Bewegung mit dem
Schild zu Ende und schmetterte den Krieger damit vollends aus dem Sattel. Sein Pferd setzte ohne sein Zutun
über das zusammenbrechende Tier des zweiten Kriegers
hinweg, sprengte drei oder vier Schritte weit in gestrecktem Galopp davon und drehte sich dann herum. Der ganze
Waffengang hatte kaum mehr als eine Sekunde gedauert.
Der Rest des piktischen Heeres stand da wie gelähmt.
Der Ausdruck auf den Gesichtern der Menge war pures
Entsetzen und Lancelot konnte sie nur zu gut verstehen.
Alles war so schnell gegangen, dass sie kaum richtig gesehen haben konnten, was geschah, und nun waren bereits
drei ihrer Kameraden tot oder lagen im Sterben.
Lancelot hingegen fühlte sich … großartig.
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