Gralszauber
war
kein Traum und er ist auch nicht fort. Ich bin es! Ich stehe
doch vor Euch!
Er war ganz dicht davor, die Worte laut auszusprechen,
sie einfach an den Schultern zu ergreifen und ihr die
Wahrheit entgegenzuschreien, ganz egal was danach auch
mit ihm geschah.
Doch Gwinneth kam ihm zuvor. Plötzlich und ohne irgendeine Warnung trat sie auf ihn zu, legte die Arme um
seinen Hals und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.
Dulac war so überrascht, dass er nicht einmal richtig begriff, was sie tat. Fassungslos und wie gelähmt stand er da
und starrte Gwinneth an.
»Das war ich dir schuldig«, sagte sie lächelnd. »Bewahre ihn gut auf, Dulac. Es war das letzte Mal, dass wir uns
berührt haben.« Und damit fuhr sie auf dem Absatz herum
und ging davon, so schnell sie es gerade noch konnte ohne
zu rennen.
Dulac sah ihr verstört nach. Hinter seiner Stirn tobte ein
Orkan einander widersprechender Gefühle und er war
nicht fähig, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu
fassen. Länger als eine Minute stand er stocksteif da und
sah Gwinneth nach, selbst als sie schon längst verschwunden war.
Als er sich endlich herumdrehte, stand Artus hinter ihm.
Er stand vermutlich schon eine ganze Weile da und hatte
vielleicht sogar einen Teil ihres Gespräches gehört, wenn
nicht alles, aber das war Dulac egal. Er war sogar fast sicher, dass Artus seine wahren Gefühle auf seinem Gesicht
lesen konnte oder zumindest erraten, aber auch das war
ihm gleich.
»Es tut mir Leid«, sagte Artus. »Aber es ist am besten
so, glaube mir.«
»Natürlich, Herr«, sagte Dulac bitter.
»Ich habe dir gesagt, dass ich Merlin mein Wort gegeben habe, mich um dich zu kümmern«, fuhr Artus fort,
»und ich werde dieses Wort halten. Ich weiß, dass du es
jetzt noch nicht verstehen kannst, aber eines Tages wirst
du es, glaube mir, und dann wirst du mir dankbar sein.«
»Und bis dahin muss ich Camelot verlassen«, vermutete
Dulac.
»Ich habe lange darüber nachgedacht und ich glaube, es
ist das Beste so«, sagte Artus. »Heute in vier Tagen ist
Vollmond und dann werden wir Merlin zu Grabe tragen.
Ich nehme an, es ist dein Wunsch, dabei zu sein?«
Dulac nickte und Artus fuhr nach einer kurzen Pause
fort: »Dann wirst du es natürlich auch dürfen«, sagte er.
»Anschließend aber werde ich dich nach York schicken.
Du kennst Sir Daikin noch? Er war im letzten Jahr zu Gast
auf Camelot.«
»Ich erinnere mich«, sagte Dulac.
»Sir Daikin ist einer meiner ältesten und verlässlichsten
Freunde. Er wird sich um deine Ausbildung kümmern.
Du wirst als Knappe an seinem Hof aufgenommen, und
wenn du dich der Ausbildung gewachsen zeigst und es
willst, dann werden wir uns vielleicht in einigen Jahren
wieder sehen, wenn du zum Ritter geworden bist. Das
wolltest du doch immer, oder?«
Dulac antwortete nicht darauf. Er starrte Artus noch einige Herzschläge lang an, dann wandte er sich um und
rannte davon.
Innerlich hundertmal mehr aufgewühlt als nach seinem
Kampf gegen die Pikten rannte Dulac fast den gesamten
Weg zum Gasthaus zurück, bis er vor Erschöpfung einfach
nicht mehr konnte und kraftlos gegen eine Wand taumelte.
Er spürte einen Schmerz, wie er ihn niemals zuvor im
Leben kennen gelernt hatte, aber auch einen Zorn von einer Heftigkeit, die ihm neu war und die ihn erschreckte. Es
war so … so ungerecht!
»Natürlich war das Leben niemals gerecht. So etwas wie
Gerechtigkeit gab es nur für die Reichen und Mächtigen
und selbst für die meist nur, wenn sie es sich mit dem
Schwert erzwangen. Aber was ihm nun widerfuhr, das war
einfach zu viel, als dass er es noch hinnehmen konnte.
Binnen weniger Tage hatte er alles verloren, was er jemals besessen hatte, ja mehr, als er jemals zu besitzen geahnt hatte. Seine Freunde, sein Leben, seine Zukunft, ja
selbst einen Teil seiner Seele, die ihm diese verfluchte
Rüstung genommen hatte. Und Artus hatte ihn nun selbst
um den Preis betrogen, gegen den er seine Unschuld eingetauscht hatte. Ebenso gut hätte der König auch sein
Messer ziehen und ihm die Kehle durchschneiden können.
Tatsächlich machte sich Dulac klar, dass er im Grunde
noch großes Glück gehabt hatte. Artus hätte durchaus das
ganz legitime Recht gehabt, ihn zu töten. Er war in der
Schlacht von seiner Seite desertiert und er hatte Lady
Gwinneth belästigt, die immerhin von edlem Blut war.
Jedes einzelne dieser Verbrechen war mehr als ausreichend, ihn an den Galgen zu bringen. Dennoch beließ Artus es
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