Gran Reserva
etwas trockenes Brot, das sein Magen bei sich behielt. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn, als er wieder in den Jeep stieg. Plötzlich wusste er, was er zu tun hatte: Pepe Salinas aufsuchen und ihn zu einem Geständnis bringen. Nur die Überführung des wahren Mörders würde ihn aus der Schusslinie nehmen.
Doch durch diesen Entschluss machte Max alles nur noch schlimmer.
Die Bodegas Faustino badeten friedlich in der späten Nachmittagssonne, welche von einem – natürlich wolkenlosen – Himmel herabschien. Der Parkplatz war nahezu leer, ein warmer Wind jagte darüber, als habe jemand in Logroño einen riesigen Fön angestellt. Die Luft traf Max wie eine Mauer, als er aus dem vollklimatisierten Jeep stieg und sofort zu schwitzen begann.
Doch seine Entschlossenheit feuerte dies nur weiter an. Er war seit der Albergue de Carretera viel zu schnell gefahren, jenseits von Geschwindigkeitsbegrenzungen. Warum sollten gerade die ihm wichtig sein, jetzt, da sein Leben sich auflöste und das Ziel nicht mehr ausgeschildert war?
Selbst wenn ihn jemand hätte aufhalten wollen, wäre es ihm nicht gelungen. Doch es versuchte niemand, nicht einmal Salinas Sekretärin. Max preschte an ihr vorbei und donnerte gegen die verschlossene Bürotür ihres Chefs. »Er ist nicht da«, sagte sie.
»Wo ist er denn?«, herrschte Max die Sekretärin an. »Wo finde ich Salinas?«
Sie blickte ihn an. Nichts würde sie ihm sagen, und er hatte nicht die Mittel, die Antwort aus ihr herauszubekommen. Er war niemand, der Gewalt androhte oder gar zufügte. Selbst jetzt nicht.
Seine Schultern sackten hinunter.
»Er hat sich drüben in unserem Museum mit einer Kundin aus Frankreich getroffen, einer Madame Blaise Pascal. Scheint reich zu sein, zumindest hat sie einen Sekretär, der die Termine für sie macht. Die beiden müssten noch dort sein. Finden Sie den Weg?«
Max sah sie fragend an.
»Er hat mir heute nicht früher freigegeben, obwohl ich zum Geburtstag einer Freundin in Laguardia muss. Aber sagen Sie ihm nicht, dass ich Sie zu ihm geschickt habe, ja?«
Mit einem kurzen Nicken stürmte Max wieder hinaus. Wie schön es doch war, wenn Menschen einem etwas Gutes taten. Egal, aus welchem Grund. Es fühlte sich an, als gäbe es so etwas wie Gerechtigkeit in der Welt.
Die Tür zum Museum war unverschlossen. Max verlangsamte sein Tempo. Er wollte nicht reinstürmen wie der Stier zum roten Tuch. So trat niemand auf, der sich seiner Sache sicher war. Die mächtigsten Bullen in der Modebranche schnaubten am leisesten. Sie mussten ihre Bedeutung nicht herauskehren. Das machte sie nur umso bedrohlicher, diese Ruhe, dieses Wissen um ihre Macht.
Max schlenderte betont lässig die Treppe zum Museumstrakt hinauf, durch den ersten Ausstellungsraum, den zweiten, ganz ruhig, schaute sich sogar einige der Exponate länger an. Zum Beispiel ein hundert Jahre altes goldenes Drahtgeflecht, ein Alambrado. Ende des 19. Jahrhunderts gab es den ersten großen Rioja-Boom, und der damals noch von Hand geflochtene Draht, der über die Flasche gestülpt wurde, sollte verhindern, dass sie geöffnet und ihr Inhalt ausgetauscht wurde. Nur die edelsten Weine trugen deshalb ein Alambrado, als Kettenhemd, zu ihrer eigenen Sicherheit.
Max hatte immer gedacht, es sei ein Werbegag.
Ein anderer Saal des Museums enthielt großformatige Replikationen der Porträts, die auf den berühmten Flaschenetiketten der Bodega zu sehen waren. Die klassische Art der Weinproduktion wurde ebenfalls eingehend dargestellt. Am beeindruckendsten fand Max allerdings den Blick vom Balkon hinab in den Barrique-Keller, einen riesigen, hellen Raum, in dem die Fässer sechs Stockwerke hoch gestapelt waren. Sagenhafte 36000 Fässer fanden unter der futuristisch-trapezförmigen Decke Platz.
Max spürte, wie die Ruhe in ihn zurückkehrte. Eine Ruhe im Auge des Orkans zwar, doch er beschloss, die um ihn herumwirbelnden Häuser, Kühe und Traktoren nicht wahrzunehmen. Bald war er am anderen Ende des Museums angelangt.
Kein Pepe Salinas. Keine Madame Pascal. Keine Stimmen. Nichts. Niemand.
Verdammt! Die Sekretärin hatte ihn gelinkt. Dabei hatte sie so aufrichtig gewirkt, als sie ihren Chef verriet. Also war auch sein letzter Strohhalm zerbrochen. Er war es satt und würde jetzt direkt zur Polizei fahren. Denn warum warten, warum die Stunden bis zu seiner Festnahme quälend werden lassen? Nein. Er wollte jetzt befragt, jetzt ins Verhör genommen werden. Es hinter sich bringen. Irgendwie.
Jegliche
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