Gran Reserva
ich mich um eure Spuren gekümmert habe. Wie bescheuert kann man auch sein, die Leiche in unser Plastik einzuwickeln? Mir ist völlig egal, warum ihr den Mann umgebracht habt, aber es in unserer Bodega zu tun, ist das Letzte. Cristina wird sich nach dem Besuch unseres Königs dafür rechtfertigen müssen. Aber intern! Das regeln wir alles intern. Kein Skandal.« Er nieste wieder. »Und jetzt setz dich wieder hin.«
»Und wenn nicht? Rufst du dann die Polizei?« Max konnte nicht glauben, dass Salinas so geschäftsmäßig blieb, wo es doch um einen Mord ging. »Wir waren es nicht! Wir haben die Leiche in einem Fach der Weinschatzkammer gefunden und…entsorgt, wegen des Königsbesuchs.« Er ging wieder einen Schritt auf Salinas zu. »Weißt du, was ich glaube? Dass du deshalb noch so lange in der Bodega warst, weil du den Mord verübt hast. Dann hast du hier, in deinem Büro, gewartet, bis alle weg sind, damit du die Leiche wegschaffen kannst. Deshalb hattest du auch kein Licht an, damit niemand deine Anwesenheit bemerkt. Was hatte Escovedo dir getan? Los, spuckʼs aus! Und mit wem hast du telefoniert, als du am Ebro die Spuren verwischt hast?« Er trat noch näher an Salinas heran, woraufhin dem Tränen in die Augen stiegen und er einen heftigen Niesanfall bekam.
Da öffnete sich die Bürotür, und die Vorzimmerdame rauschte herein – Max trat einen Schritt zurück.
»Hau ab!«, rief Salinas. »Ich will dich hier nicht mehr sehen. Nie mehr, ist das klar?«
Die zornigen Blicke der Sekretärin trafen ihn wie Brandeisen.
Max verließ das Büro. Wieder nichts. Scheiße! An ihm war wahrlich kein Polizist verloren gegangen. Im Fernsehen sahen Befragungen immer so einfach aus, doch das waren sie beileibe nicht. Jetzt musste er dringend eine rauchen, Stress abbauen. Er tastete seine Hosentaschen ab, fand keine Zigaretten – stattdessen das goldene Kreuz, das er am Ufer des Ebro gefunden hatte und das von Escovedo stammen musste.
In diesem Augenblick wusste Max, dass es Zeit war, das Schmuckstück nach Hause zu bringen.
Es tat gut, so lange im Auto zu sitzen und die neue CD der Waterboys so oft hintereinander zu hören, bis er die Refrains aller Songs mitsingen konnte. Und etwas Abstand zu gewinnen zu Rioja und den Unglaublichkeiten, die sich dort abgespielt hatten.
Die Witwe Alejandro Escovedos hieß Maria und lebte in Ormaiztegi, einem kleinen Ort in der baskischen Region Gipuzkoa. Nicht mal tausend Menschen lebten hier, überspannt wurde das Nest von einer riesigen Eisenbahnbrücke, auf der früher die Züge zwischen Madrid und Irún verkehrten. Das von Gustave Eiffel geplante Bauwerk war heute nur mehr ein Baudenkmal. Besonders schön war das Ungetüm jedoch nicht – was auch für Ormaiztegi selbst galt.
Ein Ort, in dem fast jeder jeden kannte. Max erkundigte sich im Museum des Generals Tomás de Zumalacáreegui nach der Witwe des Toten. Die Gegner des Generals mussten ihrerzeit schon allein an der Aussprache seines Nachnamens gescheitert sein.
Max nahm sich die Zeit, einige der großen Fotografien im Eingangsbereich zu betrachten, aus professionellem Interesse. Eine zeigte einen Stammbaum der Nachfahren des Unaussprechlichen. Typisch für die Familie war ein dreieckiges Kinn, das so spitz aussah, als könne man damit Holz hacken. Ein früh verstorbener Spross am untersten Ende hatte in diesem auch noch ein tiefes Grübchen aufgewiesen. Die Genetik konnte manchmal schon grausam sein.
Schließlich wandte sich Max an die alte Frau am Kassentresen, die ihm genau sagen konnte, wo Maria Escovedo zu finden war – nachdem sie aus ihrem Dämmerschlaf hochgeschreckt war.
Max fand die Witwe mit einigen anderen älteren Frauen vor einer geschlossenen Tapas-Bar versammelt. Über einer rostigen Öltonne, in der ein Holzfeuer loderte, grillten sie Paprika. Rote Paprika aus Rioja, Pimientos Riojanos, klein, süß und mit viel Fleisch. Eine Greisin entfernte Strunk und Kerne, eine häutete sie nach dem Grillen, eine andere legte sie im eigenen Saft ein. Die spanische Küche war ohne diese Köstlichkeit nicht denkbar.
Maria Escovedo erkannte er dank der Beschreibung der Museumswärterin sofort: eine in sich eingesunkene Frau mit schlohweißen Haaren, die als Einzige komplett in Schwarz gekleidet war.
Max ging zu ihr und verbeugte sich leicht, die Hände wie beim Kirchgang vor dem Schoß gefaltet.
»Entschuldigen Sie bitte, Señora. Ich habe Ihren Mann auf dem Jakobsweg kennengelernt. Wir haben uns nur kurz getroffen,
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