Gran Reserva
im Gesicht wurden in Handschellen aus der Bodega zu einem Einsatzwagen geführt. Der Schritt ihrer Jeans hing in den Knien, einer reckte die geballte Faust in die Luft.
Aus welchem Grund versuchte man, eine Bodega in Brand zu stecken?
»Das frage ich mich auch.«
Max hatte gar nicht gemerkt, dass er die Frage laut ausgesprochen hatte.
»Normalerweise sprayen sie nur irgendeinen Mist an die Wände«, fügte der Geschäftsmann neben ihm hinzu, »aber Brände legen? In der Bodega einer angesehenen Familie? Und dann auch noch so dumm! Was bringt es, Molotow-Cocktails gegen Betonwände zu schmeißen? Kein Brandsatz ist in einem Fenster gelandet, nur das Dach hat Feuer gefangen. Sind die nur zu blöd gewesen oder was sollte das?«
»Jugendlicher Übermut?«, gab Max mit gerunzelter Stirn zurück. Er konnte es sich genauso wenig erklären.
»Wir haben uns damals ordentlich betrunken und nicht die angegriffen, die für Nachschub sorgen«, sagte der Mann im Anzug mit einem Kopfschütteln. »Oh, eine Sondermeldung.«
Max trat näher an das Tablet heran.
»Das Königshaus hat eine Erklärung zu den Vorgängen in Oyón herausgegeben. Darin heißt es wörtlich: ›Der König ist von dieser Tat fehlgeleiteter Aggression schockiert, wird seine Reise zu den Bodegas Faustino jedoch nicht absagen, da dies den Kriminellen nur in die Hände spielen würde.‹ Die Eigentümerfamilie Martinez begrüßte in einem soeben veröffentlichten Statement diese Entscheidung und garantierte dem Monarchen bei seinem Besuch alle möglichen Bemühungen, um seine Sicherheit zu gewährleisten.«
Die beiden waren nicht die Einzigen, die diese Nachricht mitbekamen, denn die Schaulustigen jubelten, als hätte die Furia Roja schon wieder die Fußballweltmeisterschaft gewonnen.
Alle freuten sich, dass der König kam.
Irgendeine höhere Kraft wollte scheinbar, dass der König starb, und räumte Hindernisse aus dem Weg.
Gott, Allah, Zeus, das Schicksal, vielleicht die ganze Mischpoke.
Morgen würde Juan Carlos eintreffen.
Dann konnten sie es zu Ende bringen.
Max merkte kaum, wie er in seinem Jeep nach Laguardia in der Rioja Alavesa fuhr, während er das neue Album von Frank Turner auf voller Lautstärke hörte. Bei »If Ever I Stray« brüllte er laut mit, und das tat verdammt gut.
Laguardia lag prachtvoll auf einem Hügel, der sich wunderschön von der Sierra de Cantabria abhob. Den mittelalterlichen Kern aus dem 13. Jahrhundert umgab immer noch eine Stadtmauer mit fünf Toren. Ein wehrhafter Ort, der seinen Namen »La Guardia«, der Wächter, wegen seiner strategisch wichtigen Position gegenüber Kastilien erhalten hatte. Wichtig war die Gegend auch für den Weinbau, weshalb der Boden unter den Häusern von den unzähligen Kellergängen der Bodegas durchlöchert war wie ein riesiger Ameisenbau.
Max parkte vor der Stadtmauer und nahm sich erst mal Zeit für sein neues tägliches Ritual: Das Regenradar seines Handys zeigte diesmal tatsächlich ein paar Wolken an, allerdings weit entfernt über Mallorca. Und die Sekundenmeditation? »Heute nehme ich den Raum zwischen den Achseln wahr.«
Erledigt.
Max stieg aus und ging zu Fuß weiter. Er schoss ein paar Fotos des prachtvollen Städtchens, bis er plötzlich vor einem Haus stand, das ihm seltsam bekannt vorkam.
Er hatte es schon einmal gesehen…vor Kurzem. Erst konnte er nicht zuordnen, wo, doch dann fiel es ihm ein: heute Morgen in der Zeitung.
Es war das Haus, welches Escovedos Witwe gekauft hatte.
Max drückte sich in eine kleine Gasse auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Wenn Maria Escovedo ihn sah, würde das Geschrei sofort wieder losgehen. Durch seine Kamera linste er um die Ecke. Mit dem Zoomobjektiv konnte er erkennen, wie die schwarz gekleidete Witwe im ersten Stockwerk lachend ein Fenster aufstieß. Hinter ihr stand eine zweite Person, von der Max jedoch nur das Schattenspiel sah. Auch die anderen Fenster stieß Maria Escovedo nacheinander auf, völlig untypisch für Spanien, wo sonst nur gelüftet wurde, wenn es draußen kühler als drinnen war. Doch hier ging es nicht um kontrollierte Luftzirkulation, hier ging es um Befreiung.
Schließlich öffnete sie die Haustür. Aus dem Schatten des Inneren löste sich ihr Besucher und umarmte sie herzlich.
Max zoomte bis zum Anschlag heran.
Er konnte nicht glauben, was er sah.
Völlig ausgeschlossen.
Völlig unmöglich.
Es war Cristina.
Die beiden Frauen drückten sich herzlich, dann verließ Cristina die fröhliche Witwe,
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