Gran Reserva
gerade dabei, aus meinem Schneckenhaus zu kommen.«
Sie trat vor ihn und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. Max zeigte keine Regung. Sie schlug nochmals, diesmal auf die andere Seite seiner Wange. In ihren Augen standen Tränen.
Max wollte sie in die Arme nehmen, sie trösten. Doch er war ja der Grund für ihre Wut. Die Schläge trafen ihn völlig zu Recht. »Es tut mir leid, wirklich, aber es geht nicht mehr mit uns beiden. Du bist wundervoll, aber…«
»Hör auf mit so einem Dreck. Du bist wundervoll, aber – das will ich nicht hören! So einen Scheiß will ich nicht hören. Du hättest mit mir reden können. Wenigstens reden, aber nein, du haust einfach ab, ohne ein Wort! Ohne deine Mutter hätte ich dich nie gefunden! Hätte ich nie wieder im Leben von dir gehört? Hab ich das verdient?« Sie knallte ihm noch eine.
Dann fiel sie ihm weinend in die Arme. Max hielt sie fest umschlungen.
»Ach verdammt! Ich wollte doch nicht heulen! Wollte ganz cool und beherrscht sein.« Sie wischte ihre Tränen an seinem Hemd ab. »Gib uns noch eine Chance, Max. Vielleicht habe ich mich ja auch verkrochen? Wie hätten wir zueinander finden können, wenn du gar nicht richtig da warst? Denkst du, ich war glücklich mit unserer Beziehung?« Sie löste sich aus der Umarmung und griff sich ihren Bademantel vom Futon, um ihn fest um ihren Körper zu knoten. Dann trat sie zu Max und strich ihm zärtlich über die gerötete Wange. »Da ist doch was zwischen uns, Max? Oder? Uns verbindet doch was. Das haben wir uns doch nicht drei Jahre lang nur eingebildet? Das haben wir doch beide gespürt! Ich will dich kennenlernen, Max, richtig, ohne Verkriechen.« Sie griff nach seiner Hand.
»Es ist…« Zu spät, wollte Max sagen. Aber war es das? Seine Gefühle waren völlig durcheinander. Er mochte Esther, er hatte ihr unrecht getan, und ja, da war etwas zwischen ihnen. Nur, war es Liebe?
»Es ist…« Gut, dass du da bist, wollte Max dieses Mal sagen, damit wir reden können. Aber war es das? Wieder geriet er ins Stocken. Er wusste ja nicht, was er dann sagen wollte. Jetzt nicht mehr. Was war mit Cristina, für die er so stark empfand, obwohl er sie doch kaum kannte. Und sie hatte ihn sitzen lassen. War das alles nur ein Traum? War Esther sein Leben, hatte er vielleicht nie wirklich begriffen, was er an ihr hatte? Konnte sie ihn etwa auf seinem neuen Weg begleiten?
» Was ist es, Max?« Esther schlang ihre Arme um seinen Hals und begann leise wieder zu weinen. Sie hielt keine Träne zurück.
Max sagte nichts, hielt sie fest. Man wischte drei Jahre nicht einfach so fort. Das war er ihr schuldig.
Kapitel 9
2000 – Der Jahrhundertjahrgang war in Rioja »nur« ein guter. Regen Ende Februar und ein kühler März verlangsamten die Entwicklung der Reben, wodurch sie jedoch gegen den Frost am 29. März etwas besser geschützt waren. Gerade um Logroño und am Ebro schlug dieser stark zu. Die guten Temperaturen im Anschluss konnten den Reiferückstand wieder ausgleichen. Der August geriet heiß, die Lese begann am 25. September. Leider gab es zwischen dem 27. September und dem 3. November schwere Regenfälle. Die Bodegas, welche vor oder nach diesem Tief lasen, erzeugten die besten Weine.
Esther nahm sich ein Zimmer im Husa Gran Via Hotel in Logroño. Max fuhr sie hin und gab ihr zum Abschied einen Kuss auf die Wange. »Du solltest zurück nach Köln, wirklich. Ich will dir keine falsche Hoffnung machen, ich weiß doch selber nicht, was ich will.«
Sie sah ihn an. »Gibt es eine andere Frau, Max? Wenn es so ist, sag es mir, bitte. Ich will es wissen. Lüg mich nur nicht an.«
»Ja.« Er biss sich auf die Unterlippe. »Ja, die gibt es.« Die Aufrichtigkeit schuldete er ihr.
Esthers Unterlippe zitterte, doch sie riss sich zusammen. »Bist du wegen ihr hierhergekommen?«
»Nein, ich habe sie erst in La Rioja kennengelernt.«
»Also kennt ihr euch erst seit ein paar Tagen?«
»Ja, aber sie liegt mir trotzdem sehr am Herzen. Es ist nicht nur ein Abenteuer, glaube ich jedenfalls.«
Sie gab ihm einen Kuss auf die Lippen. »Danke für deine Ehrlichkeit. Ich gebe dir Zeit, aber ich bleibe hier. Gibst du mir deine neue Handynummer?«
Max schrieb sie auf die Rückseite eines Supermarktbons, den er in seinem Portemonnaie fand. Esther lächelte ihm noch einmal zu und betrat mit sinnlich schwingendem Po das Hotel.
Max trat hinaus auf die Avenida de la Gran Vía Rey Juan Carlos I, Logroños große Prachtstraße, atmete ein paar Mal tief
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