Gran Reserva
unangezündet zwischen die Lippen. Es half überhaupt nichts.
Die Putzfrau beendete ihre Arbeit, und Max begann, an seinem Plan zu zweifeln.
Verdammt!
Die Putzfrau wandte sich zur Jungfrau, um zu beten.
Und endlich sah sie den Umschlag!
Sie nahm ihn und las.
Plötzlich riss sie ihn in der Mitte entzwei. Noch mal. Und noch mal. Dann warf sie die Fetzen in ihr Putzwasser.
Was war nur in diese Frau gefahren? Max trat gegen die Kirchenbank.
Die Putzfrau sah ihn strafend an.
»Herzlichen Glückwunsch!«, rief Max ihr zu. »Sie haben ab jetzt den König von Spanien auf dem Gewissen.«
Kopfschüttelnd sah sie ihm hinterher, als er wütend aus der Kirche stampfte. Und bekreuzigte sich zur Sicherheit gleich dreimal.
Max hatte keine Lust, schon wieder eine Anna-Maria kennenzulernen, und fuhr deshalb nicht zu Juan, sondern zum Guardaviña. Zuerst stand er lange davor, doch dann ging er hinein und legte sich auf die Decke, um noch mal für ein paar Minuten die himmlische Ruhe dieser kleinen abgeschlossenen Welt zu genießen. Max schloss die Augen, um Cristinas Duft ganz bewusst einatmen zu können, der wie betörendes Parfum in dem Unterstand hing.
Er wachte erst auf, als die Sterne schon wie leuchtende Stecknadelköpfe an den Nachthimmel über La Rioja gepinnt worden waren.
Wie spät mochte es sein?
Er blickte auf sein Handy. Ein Uhr früh. Sein Rücken schmerzte, nachdem er stundenlang erfolglos versucht hatte, sich dem unebenen Boden anzupassen. Schläfrig stieg Max ins Auto und fuhr zurück zu Juan, wunderte sich nicht darüber, dass wieder eine andere Frau – er sah nur ihren hellbraunen Lockenkopf – auf dem Futon schlief, und warf sich, angezogen, wie er war, auf sein Bett. Seine Kraft reichte gerade noch, um sich die Schuhe von den Füßen zu drücken.
Dann war er auch schon weg.
Als Max am nächsten Morgen aufwachte, beschloss er, erst auf die Uhr zu gucken, wenn er mindestens einen Kaffee intus hatte – um den Schock besser verkraften zu können.
In der Küche stand die braungelockte Anna-Maria an der Espressomaschine. Max sah sie von hinten, was nicht die schlechteste Aussicht war. Sie trug nur ein T-Shirt, das schon ein gutes Stück über ihrem nackten Po endete. Er war wie aus feinstem Alabaster gemeißelt und bis zur Perfektion gerundet, ihre Haltung fest und stolz wie die einer Ballerina.
»Machst du mir auch einen Espresso?«
»Sí, Señor.« Sie sprach mit hartem Akzent, der Max fast deutsch vorkam.
Dann drehte sie sich um.
»Guten Morgen, Max. Überrascht, mich zu sehen?«
Esther.
Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Schön hast duʼs hier.«
Hatte sie etwa mit Juan geschlafen? Max wollte fragen, aber ließ es dann bleiben. In seinem Inneren rumorte es. Waren da etwa noch Gefühle für sie? Würde es ihn stören, wenn sie mit Juan die Nacht verbracht hatte? Durfte es ihn stören?
Es störte ihn.
So schnell mit einem anderen zu schlafen, nachdem er sie verlassen hatte! Und was wollte sie überhaupt hier?
Aus seinen wütenden Eingeweiden kroch ein Lächeln. Was war er doch für ein Idiot aus der Steinzeit, der davon ausging, dass alle Frauen des Stammes ihm gehörten – ob er sie nun wollte oder nicht.
Esther stand wieder an der Espressomaschine und kümmerte sich um Maxʼ Wachmacher, aber den hatte er nun nicht mehr nötig. »Wir haben uns ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, Max.«, sagte sie, als wäre nie etwas gewesen zwischen ihnen.
»Es waren nur ein paar Tage. Kam es dir wie eine Ewigkeit vor?«
Sie antwortete nicht, legte ein Churro auf den Unterteller und reichte Max den Espresso.
Er stellte ihn auf einer kleinen Kommode ab. »Esther, es tut mir leid.«
Sie hob die Augenbrauen und strich sich unbedacht unter dem T-Shirt über ihren Busen.
»Kannst du dir bitte etwas mehr anziehen?«
»Wieso? Hat dich doch bisher auch nie gestört, mich nackt zu sehen. Ganz im Gegenteil.«
»Aber jetzt ist es irgendwie…unpassend.«
»Bist du hier in Rioja etwa spießig geworden?«
»Nein, aber… zieh dir einfach irgendwas an. Warte.« Er holte eine Boxershorts aus seinem Zimmer und warf sie ihr zu. Sie schlüpfte hinein.
»Esther, es war scheiße, richtig scheiße von mir, einfach wegzugehen, ohne ein Wort zu sagen. Dich im Unklaren zu lassen, mich hier einfach in Rioja einzuquartieren.«
»Zu verkriechen, trifft es besser.«
Max schüttelte den Kopf. »Nein, ganz im Gegenteil. In Köln habe ich mich verkrochen, nie gezeigt, wer ich wirklich bin. Hier bin ich
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