Grand Cru
vielen Gästen habe ich gar nicht gerechnet.« Er wandte sich an Jacqueline: »Ganz besonders freue ich mich, dich wiederzusehen. Max war bis über beide Ohren in dich verliebt und in seinen letzten Tagen sehr glücklich.«
Jacqueline rang sich ein Lächeln ab, das erste seit dem gemeinsamen Aufbruch von Pamelas Haus, wie Bruno bemerkte. Sie umarmte Alphonse und verschwand dann fast zwischen den weiten Falten des Gewandes von Céline, als diese sie in den Arm nahm. Nicht weniger herzlich begrüßt wurde Pamela als Ehrenpatin bei Max' Adoption. Mit umgebundener Schürze und einem langen Löffel in der Hand trat Dominique hinter einem Tisch hervor, an dem sie mit Marie in großen Schüsseln Salat anrichtete. Sie küsste Bruno auf die Wangen und gab Jacqueline die Hand, wobei sich die beiden jungen Frauen mit kühlem Blick taxierten.
»Wir feiern auch ein Wiedersehen mit ehemaligen Kommunemitgliedern«, sagte Alphonse und verteilte die gefüllten Weingläser. »Viele sind aus Paris angereist, einer sogar aus London. Max war für uns alle wie ein Sohn. Und auch die Kinder sind gekommen, aus Bordeaux, Marseille und sonst woher.«
»Wir wollten heute Abend eigentlich Max' Asche hier verstreuen, aber sie geben seinen Leichnam nicht frei«, sagte Céline. »Warum? Weißt du etwas, Bruno?«
»Ich glaube, es konnte noch nicht eindeutig festgestellt werden, wer zuerst tot war, Max oder Cresseil. Davon hängt ab, wer erbt«, antwortete Bruno und fragte, um das Thema zu wechseln: »Wann wird das Feuer entzündet?«
»Sobald es dunkel genug ist«, sagte Alphonse. »Aber jetzt will ich erst einmal mit Jacqueline tanzen, der Frau, die unseren lieben Jungen als Letzte im Arm gehabt und glücklich gemacht hat.« Er nahm einen tiefen Zug von Célines Joint und führte Jacqueline an der Hand zur Tanzfläche.
»Gut, dass Sie das nicht gesehen haben«, sagte Pamela und schmunzelte. »Es wäre der Stimmung heute Abend wohl schlecht bekommen, wenn Sie die Gastgeber festgenommen hätten.«
»Leben und leben lassen«, sagte Bruno. »Wie wär's mit einem Tänzchen?«
Sie schlängelten sich durch die Menge, begrüßten Neuankömmlinge, wichen Ziegen und spielenden Kindern aus und erreichten die Terrasse, wo alle Tänzer nun einen Kreis um Alphonse gebildet hatten, der zu Jefferson Airplanes »White Rabbit« einen seiner außergewöhnlichen Tänze aufführte. Jacqueline blickte ein wenig verunsichert drein, versuchte aber tapfer, irgendwie Schritt zu halten, während Alphonse fingerschnippend und mit flatternden Ellbogen um sie herumwirbelte, die langen Haare fliegen ließ und jedes Wort laut mitsang.
»Hat man damals so getanzt?«, fragte Pamela.
»Scheint so«, antwortete Bruno. »Sehen Sie mal da.«
Jetzt war auch Céline auf der Tanzfläche, drehte sich mit ausgestreckten Armen im Kreis und ließ die grüne Robe wie ein Segel fliegen, während aus ihrem Joint Rauch aufstieg. Eines der ehemaligen Kommunemitglieder, groß und hager, fast kahlköpfig und in schwarzem Samtanzug, gesellte sich zu ihr. Ein noch älteres Paar mit weißen Haaren trat hinzu und fing zu swingen an.
»Ich weiß nicht, ob ich das kann«, sagte Pamela. »Aber versuchen wir's.«
Als die letzten Takte von »Feed Your Head« verklungen waren und das Gitarrenintro von Eric Claptons »Layla« erklang, mischten sich Bruno und Pamela unter die Tanzenden. Bruno forderte auch Umstehende auf mitzumachen, und bald schien alles in Bewegung, sogar der Bürgermeister und Xavier wie auch René und Gilbert von der Bar mit ihren Frauen. Der Bürgermeister klatschte Pamela ab, nahm sie in den Arm und führte mit ihr auf, was wie ein langsamer Foxtrott aussah. Bruno wechselte zu Jacqueline über und kam damit der halben Rugbymannschaft zuvor, die sich an sie heranzumachen versuchte.
»Gleich gibt's ein großes Feuer«, sagte sie. »Verrückt, nicht wahr? Man fragt sich, wie Max hier aufwachsen und normal bleiben konnte.«
Ein Gong ertönte, worauf alle Köpfe herumfuhren. Alphonse stand neben dem aufgeschichteten Feuer und schlug ein zweites Mal auf eine große Kupferscheibe, deren Klang aus allen Ecken widerhallte. Selbst die Ziegen hatten zu kauen aufgehört und blickten auf. Céline trat neben Alphonse, der den Gong ablegte und einen mit Pech bestrichenen Knüppel zur Hand nahm.
»Liebe Freunde, wir sind hier wegen Max zusammengekommen, und in dieser Kommune wollen wir nicht den Tod beklagen, sondern das Leben feiern. Also tanzen und singen und essen wir ihm zu Ehren.
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