Grand Cru
der Rede wert, aber der Tropfen schmeckte gut. Er warf einen Blick auf das Preisschild. Vier Euro für fünf Liter. Kein Wunder, dass die Franzosen da nicht mithalten konnten.
»Du hast meinen Wein aus Südafrika gefunden«, sagte Alphonse. »Nicht schlecht, oder? Max hat ihn mitgebracht. Er probiert alles durch, auch das, was aus Australien und Chile kommt. Recherchieren nennt er das. Hier, nimm mal ein Gläschen davon.«
»Der Käse ist spitze.« Bruno hielt ihm das leere Glas hin und ließ es sich mit einem Rotwein aus einer unetikettierten Flasche füllen. Er schnupperte, nippte, schmatzte mit den Lippen und nickte beifällig.
»Das ist unser eigener. Er ist sehr viel besser als das, was wir früher gepanscht haben, oder? Das haben wir Max zu verdanken. Am Verfahren hat sich nicht viel geändert, aber wenn er es macht, wird's einfach besser. Er hat ein Händchen dafür.«
»Viel besser als euer altes Gesöff! Jetzt kann ich's dir ja sagen, ich habe früher nur mit angestoßen, um nicht unhöflich zu sein. Aber dieser Rote lässt sich wirklich gut trinken.«
»Aus biologischem Anbau. Ich hab's ihm beigebracht, und mittlerweile ist er überzeugt davon, dass darin die Zukunft des Weingeschäfts liegt. Er tut fast so, als sei die Idee auf seinem Mist gewachsen«, sagte Alphonse mit Vaterstolz. »Ich bin bereit, lass uns losfahren.«
Bruno nahm den Fuß vom Gaspedal, als sie das kleine Waldstück hinter sich gelassen und den Rand des Höhenrückens erreicht hatten. Er liebe dieses Panorama über alles, erklärte er, als sich ihm Alphonse zuwandte, die Brauen zu einer stummen Frage hochgezogen. Bruno stieg aus. Der vertraute Blick auf das Vézère-Tal und die Dörfer hoch oben auf dem Hügelkamm im Hintergrund war wahrhaftig immer wieder aufs Neue begeisternd. Gleich unterhalb lag das kleine Château, das Herz von Juliens Domaine de la Vézère. Bruno fasste die Reihen der Rebstöcke ins Auge, die Julien neu gepflanzt hatte, und blickte dann hinüber auf Philiberts Parzelle, die nun in Huberts Besitz war. Unmittelbar daran grenzte der Hof von Cresseil mit der baufälligen Hütte, in der der Alte lebte, zwei Scheunen, einem Küchengarten und dem kleinen Wingert. Cresseil war schon seit Jahren so gebrechlich, dass er mit der ganzen Arbeit nicht mehr nachkam und auf dem unteren Teil seines Landes, das bis zum Fluss reichte, nur noch Gras wachsen ließ. Auf dem gemähten Feld lagen, zusammengepresst und in schwarze Folie gepackt, an die zehn große Heuballen, die er verkaufen würde. Bruno versuchte, die Ausmaße von Cresseils Grundbesitz zu schätzen, eine langgezogene, schmale Parzelle, mindestens halb so groß wie die von Philibert, vielleicht sogar größer. Ein paar Kilometer weiter oberhalb am Fluss lag Saint-Denis. Bruno schaute zurück in die andere Richtung, wo die Vézère nach einer weiten Schleife in die Dordogne mündete, und suchte auf den Südhängen nach den Lagen, wo nach Ansicht von Hubert de Montignac guter Wein angebaut werden könnte. An manchen Stellen ragten schroffe Kalksteinfelsen auf, in deren Klüften und Höhlen wahrscheinlich schon in der Steinzeit Menschen gewohnt und im Mittelalter Verfolgte Zuflucht gesucht hatten. Die Domaine selbst nahm nur einen Bruchteil der sanfter ansteigenden Hänge ein, und wenn sie, wie Hubert meinte, schon drei Millionen Euro wert sei, so hätte die Gesamtfläche einen noch viel größeren Wert.
»Kennst du denn dein eigenes Tal so wenig?«, rief Alphonse durchs Fenster des Wagens. Bruno kehrte zum Auto zurück.
»Wie sind Max und Cresseil miteinander bekannt geworden?«, fragte er und lehnte sich an den Transporter.
Alphonse drehte sich eine Zigarette. Ȇber das
collège.
Rollo hatte seinen älteren Schülern vorgeschlagen, dass jeder eine ältere Person aus dem Altersheim adoptiert.« Er befeuchtete den Klebestreifen, drehte die Zigarette zu Ende und steckte sie an. »Max besuchte daraufhin die alte Madame Cresseil, die aber kurz darauf starb. Das war vor ungefähr drei Jahren. Ihr Mann hatte Gefallen an dem Jungen gefunden - und einen Zuhörer für seine Kriegsgeschichten, glaube ich. Max half ihm bei der Arbeit im Garten, machte kleinere Reparaturen am Haus und ließ sich von Cresseil beibringen, wie Wein gekeltert und angesetzt wird. Und dann bekam er auch noch das alte Motorrad geschenkt, das jahrelang im Schuppen gestanden hatte. Max hat es tatsächlich wieder in Gang gebracht. Er mag den Alten und sagt, er sei wie ein Großvater für ihn.«
Max
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