Grand Cru
Tonfall bemüht.
»Nicht direkt«, antwortete sie zögernd und wählte ihre Worte genau. »Allenfalls in Andeutungen. Wir hatten eine Auseinandersetzung, in der es um diese GmO-Geschichten im Allgemeinen ging, und ich sagte ihm, dass ich im Laufe meines Praktikums meine Meinung geändert hätte. Er weiß, wo ich im Sommer gearbeitet habe, und wird ja wohl noch eins und eins zusammenzählen können.«
»Wie steht er denn dazu? Was hält Max von gentechnischen Experimenten?« Bruno registrierte, dass Dominique auf seine Fragen zunehmend nervös reagierte, und auch Stéphane wirkte irritiert.
»Das fragst du ihn besser selbst, Bruno«, schnappte sie. »Es scheint fast, du verdächtigst ihn. Willst du hier etwa den
flic
raushängen lassen, oder was?«
»Beruhige dich, Dominique.« Er tat sich selbst schwer damit, Freundschaft und Polizeidienst unter einen Hut zu bringen, zumal er das Mädchen herzlich gern hatte. Er hatte es schon gekannt, bevor es eine Zahnspange tragen musste. Er schenkte Dominique ein Lächeln, schwieg eine Weile und überlegte, wie er ihr den Ernst der Lage begreiflich machen konnte.
»Ich war schon Polizist, als wir uns kennengelernt haben, also die meiste Zeit deines Lebens«, sagte er. »Aber ich arbeite nicht für eine staatliche Behörde, sondern ausschließlich für Saint-Denis. Straftaten verfolgen andere, und die können ziemlich unangenehm werden, wenn sie unter Druck stehen wie zum Beispiel der Chefinspektor unseres
départements.
Es könnte außerdem sein, dass sich der Sicherheitsdienst einschaltet und seine Spezialisten aus Paris zu uns schickt. Die hätten dich bestimmt im Blick, denn du hast im Institut gearbeitet und weißt von den Freiversuchen, die ein Risiko für die Milchwirtschaft deines Vaters sind. Außerdem bist du eine passionierte
écolo.
Klar, dass man dich sofort in den Kreis der Verdächtigen mit aufnähme. Und Brandstiftung ist ein schweres Delikt, auf das Gefängnis steht.«
»Glaubst du, dass wir einen Anwalt brauchen, Bruno?«, fragte Stéphane.
Er
hatte offenbar begriffen.
»Noch nicht, aber ich würde es dich früh genug wissen lassen.« Und an Dominique gewandt: »Mir fällt gerade was ein. Wenn du irgendetwas hast, womit sich belegen lässt, dass du Gentechnik nicht grundsätzlich ablehnst, wär's gut, wenn du es für alle Fälle zur Hand hättest.«
»So was kann ich beschaffen«, sagte sie, wieder gelassener. »Es gab in unserer Chat-Gruppe eine Debatte zu diesem Thema, und darüber habe ich einen Artikel für
Grenoble Vert
verfasst, das ist das Blatt der Grünen an unserer Uni. Aber was ist mit Max? Soll ich ihn warnen?«
»Das liegt bei dir. Ich sehe allerdings keinen Grund, warum er in Verdacht geraten sollte. Schließlich hat er nie in diesem Institut gearbeitet. Übrigens, hat diese Chat-Gruppe einen Namen?«
»Aquitaine Verte,
so wie die Organisation, die sich über das Forum gebildet hat. Ich bin seit meiner Schulzeit Mitglied. Danke für die Warnung, Bruno. Ich habe mir nichts vorzuwerfen und deshalb auch nichts Schlimmes zu befürchten.«
»Hoffen wir's. Mail mir bitte eine Kopie deines Artikels für diese Zeitung. Das könnte uns vielleicht noch nützlich sein«, sagte Bruno und klappte sein Notizbuch zu. »Übrigens, dein ehemaliger Chef hält große Stücke auf dich. Petitbon hat mir gesagt, dass er dir gern eine Festanstellung anbieten würde, wenn du mit dem Studium fertig bist.«
»Dann wird auch er überzeugt davon sein, dass ich mit der Sache nichts zu tun habe.«
»Richtig, in ihm hättest du schon einen ersten Zeugen der Verteidigung.« Bruno schmunzelte.
Ihm war wieder etwas wohler zumute, als er seine nächste Amtshandlung antrat und der Frage nachhing, wer wohl die tote Frau gewesen sein mochte, die die Kommune als ihre Adresse angegeben hatte. Er fuhr in Richtung Saint-Denis zurück, überquerte die Bahntrasse und bog hinter dem neuen Friedhof in die kleine einspurige Straße ein, die zum Wasserturm hinaufführte. Dahinter erstreckte sich hügeliges Weideland mit einzelnen Büschen und Baumgruppen. Auf den gemähten Wiesen grasten golden schimmernde Limousin-Rinder unter der spätsommerlichen Septembersonne. Steil ging es weiter bergan in Richtung Hochebene. Hier war das Land billig, wenn auch nur schwer zu bestellen. Gerade zu dieser Jahreszeit war es von rauher, erhabener Schönheit, aber auch im Winter, wenn Schneestürme darüber hinwegfegten und sich phantastische Ausblicke auf die Täler zu beiden Seiten boten.
Hoch
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