Grand Cru
hatte also ein Motorrad, dachte Bruno, zwar nicht so eines, wie von dem Postboten aus Coux beschrieben, aber vielleicht kam er ja auch an modernere Maschinen heran. Bruno machte sich in Gedanken eine Notiz.
»Cresseil hat keine eigenen Kinder, oder?«
»Er hatte einen Sohn, der war bei der Luftwaffe und ist bei einem Absturz in Afrika ums Leben gekommen. Das war lange vor deiner Zeit, Bruno.« Alphonse drückte die Glut zwischen den hornigen Kuppen von Daumen und Zeigefinger aus und steckte die zur Hälfte gerauchte Zigarette in seinen Tabaksbeutel. »Komm, fahren wir zu Max.«
»Alphonse, ich muss dich was fragen, dienstlich.« Bruno kam auf den Brandanschlag zu sprechen und fragte ihn als Mitglied der Grünen im Stadtrat, ob er irgendwelche militanten
écolos
kennen würde, die dumm genug wären, Feuer zu legen.
»Das soll jetzt kein Scherz sein, oder?«, entgegnete Alphonse halb resigniert, halb fragend. »Ich habe mir die Sache durch den Kopf gehen lassen und glaube, dass ein engagierter
écolo
durchaus dazu bereit wäre, die Ernte von gentechnisch manipulierten Feldfrüchten zu sabotieren. Aber nicht mit Brandstiftung. Ich kann dir verraten, dass heiße Gerüchte um dieses besagte Versuchsfeld im Umlauf sind. Ich bin von einigen Leuten aus Bordeaux angerufen worden, die mich darum gebeten haben, als Ratsmitglied zu prüfen, ob eine spezielle GmO-Genehmigung erteilt worden ist. Also habe ich mich schlaugemacht und die Gesetzeslage studiert, denn ich will die Sache bei der nächsten Ratssitzung zur Sprache bringen.«
»Es gab keine Genehmigung, Alphonse. Wir, der Bürgermeister und ich, wissen jedenfalls von nichts.«
»Nun ja, eine solche Genehmigung muss ja auch der Rat erteilen. Falls sich herausstellen sollte, dass ohne unsere Erlaubnis genveränderte Saat ausgebracht worden ist, wird es einen Skandal geben. Das verspreche ich dir. Dann schlagen wir Krach, so oder so, und mit >wir< meine ich die Partei der Grünen.«
»Ich bin auch kein Freund von Gentechnik«, sagte Bruno. »Aber Brandstiftung ist eine Straftat, und die werde ich verfolgen, so oder so. Und von dir erwarte ich, dass du mich dabei unterstützt, Alphonse. Wir könnten auf derselben Seite stehen, zusammen mit dem ganzen Rat und dem Bürgermeister, denn denen wird es auch nicht passen, dass hinter ihrem Rücken und ohne Genehmigung GmO-Pflanzen gezüchtet werden.«
Alphonse nickte flüchtig.
»Noch ein kleiner Rat, Alphonse. Es gibt in dieser Sache kaum konkrete Hinweise, weshalb die Ermittler nervös werden. Es könnte darum sein, dass dir Flies auf die Pelle rücken, die gern auch mal an anderen Stellen ihre Brecheisen ansetzen, um dich zur Kooperation zu zwingen. Eine Hippiekommune lädt solche Typen geradezu ein, Drogenrazzien vorzunehmen. Wenn ihr also in eurem Dorf irgendetwas habt, was da nicht sein darf, solltest du es schnellstmöglich verschwinden lassen.«
»Von Hippiekommune kann überhaupt keine Rede sein«, protestierte Alphonse.
»Das ist deine Meinung und vielleicht auch meine, aber die Gendarmen und dieser
capitaine
Duroc sind scharf darauf, befördert zu werden. Denk darüber nach, und jetzt lass uns losfahren und Max suchen.«
9
Max war ein attraktiver junger Mann. Mit nacktem, braungebranntem Oberkörper, das lange blonde Haar unter ein Stirnband geklemmt, jätete er mit wuchtigen Hackenschlägen das Unkraut im Küchengarten, als Bruno vor der Scheune hielt. Max war nicht allein. Die junge Frankokanadierin, die Bruno in der
cave
gesehen hatte, leistete ihm Gesellschaft und half ihm bei der Gartenarbeit. Als sie sich aufrichtete, um zu sehen, wer gekommen war, bemerkte Bruno, dass sie fast so groß war wie Max. Sie trug sehr knappe Shorts und ein freizügig ausgeschnittenes Oberteil. Kein Wunder, dass Max immer in ihrer Nähe war, dachte Bruno.
Cresseil saß auf einem Holzhocker, das Kinn auf die Hände gestützt, die seinen Stock umfasst hielten, und schaute den jungen Leuten bei der Arbeit zu; einer seiner Jagdhunde, ein reinrassiger Porcelaine, lag schlafend zu seinen Füßen. Als der alte Mann die Neuankömmlinge bemerkte, hob er den Kopf und streckte eine gichtige Hand aus.
»Alphonse, Bruno!«, krächzte er mit brüchiger Stimme. »Schön, euch zu sehen. Einen kleinen
apéro? -
He, Max, mach mal Pause. Dein Papa ist hier.«
»Danke für die Einladung. Wenn ich mir was wünschen darf, hätte ich gern ein Glas von deinem Vorjährigen«, sagte Alphonse, bevor Bruno einwenden konnte, dass sie ein andermal
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