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Grand Cru

Grand Cru

Titel: Grand Cru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walker
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oben am Felsrand, direkt über dem Zusammenfluss von Vézère und Dordogne, ragten die Ruinen des Château de Brillamont auf. Es gehörte zu einer ganzen Reihe von mittelalterlichen Festungen, die die Frontlinie im Krieg zwischen England und Frankreich markierten. Der Krieg hatte über hundert Jahre gedauert, bis Jeanne d'Arc schließlich die Moral ihrer Landsleute wiederaufrichten konnte und Bernard du Guesclin Kanonen bauen ließ, die leicht zu manövrieren waren, aber schwer genug, um die englischen Burgen in Schutt und Asche zu legen. Es war, wie Bruno aus seiner Militärzeit wusste, letztlich doch die Feuerkraft, die über Sieg oder Niederlage entschied, und nicht der Kampfesmut, wie in den vielen Legenden um die Nationalheldin behauptet.

8
    Vor einem verwitterten Wegweiser aus Holz bog Bruno auf einen Feldweg ab. Er hörte die Grashalme, die zwischen den Spurrinnen wuchsen, am Bodenblech entlangwischen, als er an einem Spalier von Bäumen vorbei auf eine wettergeschützte Senke zusteuerte. Vor einem Holztor angelangt, drückte er auf die Hupe, um sich anzumelden. Er stellte den Motor ab und schlenderte an einem Maschendrahtzaun entlang, hinter dem ein großer gepflegter Gemüsegarten lag, der bis zum Nordrand der Senke reichte, wo sich ein bunt zusammengewürfeltes Ensemble aus hübschen kleinen Holz- und Steinhäusern befand. Eine Frau, die er kannte, war mit Unkrautjäten beschäftigt, während zwei Kinder, denen er Tennisunterricht gab, Tomaten pflückten. Er blieb stehen und grüßte, worauf die beiden Kinder herbeigelaufen kamen und ihm zwei pralle reife Tomaten schenkten.
    »Salut,
Bruno. Was führt dich zu uns?«, rief Céline, die in der Kommune lebte, seit es sie gab, und inzwischen in die Jahre gekommen war. »Bist du gekommen, um uns zu helfen?«
    »Ich habe schon genug mit meinem eigenen Garten zu tun. Ist Alphonse da?« »Drüben in der Käserei.«
    Bruno nickte und richtete den Blick auf das kleine Dörfchen, das die jungen Revolutionäre von 1968, die
soixante-huitards,
während der vergangenen vier Jahrzehnte erbaut hatten. Aus dem Dörfchen waren, wie er wusste, schon viele Kinder hervorgegangen, die die Schule von Saint-Denis besucht und sich auch in Sportclubs hervorgetan hatten, und selbst wenn er das nicht gewusst hätte, wäre er von dem, was er sah, durchaus beeindruckt gewesen. An exponierter Stelle stand ein altes Gehöft mit efeuberanktem Wohnhaus, dessen Dach aus roten Ziegeln die Form eines Hexenhuts hatte, wie es für diesen Teil des Périgords typisch war. Daneben erhob sich eine hohe, grazile Windmühle, die genügend Strom für rund ein Dutzend Kommunenmitglieder lieferte. Unter der überdachten Veranda eines großen, lehmverputzten Fachwerkhauses saß eine Frau mittleren Alters mit langen glatten Haaren im Schneidersitz, mit geschlossenen Augen und geradem Rücken. Die südliche Dachseite des Hauses war voller Sonnenkollektoren zur Warmwasserbereitung.
    Ein anderes, täuschend groß und breit wirkendes Gebäude war, wie Bruno von früheren Besuchen wusste, aus Lehmziegeln gemauert und von drei Seiten mit Erde überhäuft, so dass es den Anschein hatte, als sei es aus dem Hang, an den es sich schmiegte, ausgehöhlt worden. Auf dem Dach graste eine Ziege, und auf einer Bank davor saßen zwei Kinder, die offenbar Schach spielten. Rechts daneben stand eine zeltförmige Giebelscheune, aus alten Holzplanken zusammengezimmert, in die zur Stabilisierung Eisenrohre geschlagen waren. Am schönsten fand Bruno die Kuppel; sie war aus lauter kleinen, verschiedenfarbig bemalten Dreiecken aus Holz, Glas oder Kunststoff konstruiert und sah aus wie ein riesiger halber Golfball.
    Auf einer Seite dieser Kuppel rankte Wein über eine Lattenkonstruktion, die als schattenspendendes Vordach diente. Auf der mit Steinplatten ausgelegten Terrasse darunter standen ein langer Holztisch und Stühle, von denen keiner dem anderen glich. Zwischen zwei Holzständern hing, mit Schärpen und Bändern befestigt, eine große bunte Hängematte. Mehrere Ziegen lagen davor auf dem Boden, wie Höflinge, die darauf warteten, dass ihr König den leeren Thron bestieg. Im Eingang der Kuppel stand ein nackter kleiner Junge, der einem Zicklein, das so groß war wie er selbst, seine Arme um den Hals geschlungen hatte. Es meckerte wie zum Gruß, und der Junge winkte. Bruno winkte zurück.
    Alphonse kam aus der Giebelscheune und wischte sich die Hände an der Schürze ab. Seine Haare waren grau geworden, aber immer noch

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