Grand Cru
folgen können, doch er schnappte von Jacqueline die Wörter »Wein« und »Bondino« auf und schloss daraus, dass sie den Familiennamen kannte und ihn mit dem Weinkonzern in Verbindung zu bringen wusste.
Bruno wollte sich gerade verabschieden, als er Montsouris' Frau mit entschlossenem Schritt aufs Café zusteuern sah. Schmunzelnd stellte er sich vor, was wohl gleich passieren würde, wenn sie ihren Mann dabei überraschte, wie er Jacqueline den Hof machte. Madame Monsouris war nicht nur um einiges linientreuer als ihr Mann, was ihre kommunistische Gesinnung anging, sondern auch sehr viel rigoroser in Sachen ehelicher Moral. Bruno dankte dem Himmel, dass er selbst ledig war, und stellte sich darauf ein, anstelle des armen Montsouris Jacqueline zu dem kleinen Weingarten hinter dem Rugbystadion führen zu müssen. Er eilte über den Platz und hinauf in sein Büro, wo er im Posteingang seines Mailservers nachschaute und zum dritten Mal in kurzer Folge sicherstellte, dass sein Handy eingeschaltet und der Akku aufgeladen war. Von Isabelle aber war immer noch keine Nachricht eingegangen.
17
Joe war nicht besonders wählerisch, und so wanderten nicht nur die Früchte der vierzig Rebstockreihen in das uralte Holzfass, sondern auch die Trauben von den schattigen Terrassenspalieren und Hecken seiner Nachbarn. Für ihn waren alle Trauben gleich, und er hatte auch nichts dagegen, wenn sich eine Handvoll Brombeeren daruntermischte.
»Das meiste ist wohl Cabernet Sauvignon, dann sehe ich da noch zwei, drei Reihen Merlot und ein paar Stöcke Cabernet Franc - also das, was man hier in der Gegend erwarten kann«, sagte Jacqueline mit Kennerblick auf Joes Weinstöcke, zwischen denen Männer und Frauen, jung und alt, und auch einige Kinder bei der Arbeit waren und blaue Plastikkübel, gefüllt mit Trauben, auf dem Anhänger hinter Joes altem Traktor entluden.
Bondino, der mit Jacqueline Kaffee getrunken hatte und von ihr eingeladen worden war mitzukommen, als Bruno sie bei Fauquet abgeholt hatte, schien sich köstlich zu amüsieren. »Wie vor hundert Jahren«, sagte er. »Ganz ohne Maschinen.« Er bückte sich, musterte Joes Trauben mit kritischem Blick und schüttelte den Kopf.
»Lassen Sie sich von Bruno nicht in seinen Keller führen, Mademoiselle«, rief Jeanne über ein Dutzend Rebstockreihen hinweg, nachdem Bruno Jacqueline und Bondino als freiwillige Helfer vorgestellt hatte.
»Ach, da sind ja auch noch Mourvèdre- und Cinsaut-Reben und sogar ein Petit Verdot. Die jetzt schon zu ernten ist wirklich viel zu früh«, fuhr Jacqueline fort. »Mich laust der Affe, ich glaub, das ist ein Carignan, obwohl ich die Sorte noch nie in natura gesehen habe. Wie kommt man bloß an all diese Pflanzen? Das ist kein Weinfeld, das ist ein Weinmuseum.«
Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt Turnschuhe und einen bauschigen Baumwollsweater mit den Buchstaben ucd auf der Brust. Die langen vollen Haare waren zu einem lockeren Knoten hochgesteckt, und statt der engen Jeans hatte sie eine weite Cargohose an, die überall Taschen zu haben schien. Aus einer zog sie ein paar dünne Gummihandschuhe, aus der anderen eine seltsam gebogene Schere, die offenbar eigens zum Schneiden von Trauben gedacht war. Bruno profitierte immer gern vom Wissen echter Experten und hörte aufmerksam zu.
»Der Boden hier ist ziemlich schlecht«, fuhr sie fort. »Keine Dränage, zu viel Lehm, nicht genug Steine und wahrscheinlich voll von Nährstoffen, die für Reben nicht gut sind. Überall wuchert Unkraut, und dass Joe seine Stöcke jemals ordentlich beschnitten hat, wage ich zu bezweifeln. Das Laub ist viel zu dicht, da kommt doch überhaupt keine Sonne an die Trauben.«
Sie schaltete plötzlich auf Englisch um, plapperte wieder viel zu schnell für Bruno, doch es schien, dass sie nur übersetzte, was sie soeben gesagt hatte, und sie zeigte wie vorhin auf die verschiedenen Weinsorten. Bondino nickte anerkennend.
»Sie können all die Sorten auf den ersten Blick unterscheiden?«, fragte Bruno.
»Nun ja, natürlich nicht alle. Den Carignan kannte ich zum Beispiel nicht. Aber im Hotel habe ich mir noch mal mein Bestimmungsbuch vorgenommen und angesehen, welche Sorten im Südwesten Frankreichs wachsen. Immerhin, die meisten kenne ich. Ich bin zwischen Rebstöcken aufgewachsen und war vier Jahre an der ucd.«
»UC... was?«
»Universität von Kalifornien, Davis. Das ist der Campus mit dem Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaffen, an dem ich studiert habe.
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