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Grand Cru

Grand Cru

Titel: Grand Cru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walker
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Trauben gelesen?«
    »Oft, in den Staaten und auch in Australien, wo ich ein paar Semester studiert habe.« Sie trug Jeans, die in hohen Stiefeln steckten, und einen Rucksack, der aus Armeebeständen zu stammen schien.
    »Bon,
vielleicht ziehen Sie sich vorher noch ein paar alte Klamotten zum Arbeiten an. Ich könnte Sie hier im Café abholen, so gegen elf. Am einfachsten wäre es allerdings, wenn Sie mit meinem Freund Montsouris vorangingen. Er ist ein beinharter Kommunist und wünscht sich, Stalin würde noch leben. Er freut sich bestimmt, wenn Sie ihn begleiten.«
    Fauquets Café hatte sich inzwischen gefüllt. Wie gewöhnlich legte das Marktvolk um diese Zeit eine kleine Pause ein. Fauquet, geschniegelt und adrett in seinem weißen Kochjackett und mit der weißen Haube auf dem Kopf, kam hinter der verzinkten Theke hervor, um Bruno zu begrüßen und ihm mitzuteilen, dass die letzte Lade Croissants soeben erst aus dem Ofen gekommen und noch warm sei.
    »Heute nicht,
mon vieux.
Ich muss Platz lassen für Joes Eintopf und trinke nur schnell einen Kaffee.« Bruno ging durch den Gastraum, schüttelte Hände und stellte Jacqueline als Huberts neue Praktikantin vor. Die Männer machten ihr galante Komplimente, verbeugten sich vor ihr und deuteten einen Kuss auf die ihnen gereichte Hand an. Pierrot lud sie spontan zu einem
petit blanc
ein, worauf sich Pascal nicht lumpen lassen wollte und ihr einen
café crème
bestellte. Fauquet nahm seine Kochmütze vom Kopf. Montsouris wischte mit einer Papierserviette die Sitzfläche eines Barhockers ab, rückte ihn in den Kreis der Männer und reichte der jungen Frau die Hand, um ihr beim Aufsitzen zu helfen.
    Lachend nahm sie Platz und stand ihren Bewunderern artig Rede und Antwort, wobei sie aber immer wieder, wie Bruno bemerkte, zum Fenster schielte. Plötzlich schien sie es eilig zu haben. Sie sprang vom Hocker und eilte zur Tür, blieb aber ebenso plötzlich wieder stehen. Bruno folgte ihrem Blick und sah Max auf Stéphanes Stand zugehen, von dem ihm Dominique entgegenkam. Die beiden umarmten sich und verschwanden hinter einer der Säulen, die das Vordach der
mairie
stützten. Vielleicht reden sie über den Brandanschlag, dachte Bruno, oder über die Demo. Er hätte sie gern belauscht. Jacqueline nahm wieder Platz und setzte die Plauderei mit den Männern fort, als wäre nichts geschehen. Erstaunlich beherrscht, fand Bruno.
    »Heute erntet also Joe seine Trauben, und danach gibt's, wenn ich richtig verstanden habe,
cassoulet«,
sagte sie.
    »Wir
ernten seine Trauben«, bemerkte der alte Pierrot knurrig. »Joe ist ein gerissener Gauner. Er lässt uns zur Weinlese antanzen, bleibt aber selbst zu Hause und kocht.«
    »Was beklagst du dich, Pierrot?« Fauquet grinste und zwinkerte Jacqueline zu. »Immerhin scheint dir im Gegensatz zu uns seine Plörre ja doch zu schmecken, oder etwa nicht?«
    »Sei nicht ungerecht«, sagte Bruno. »Wir alle machen aus Joes Wein unseren
vin de noix
und unser
eau de vie.
Dafür ist er allemal gut.«
    Er war es gewohnt, ausgelacht zu werden, wenn er Joe in Schutz zu nehmen versuchte, der sein Vorgänger im Amt des
chef de police
von Saint-Denis war. Joes kleine Parzelle war schlecht dräniert und lag ziemlich ungünstig zwischen dem Rugbystadion und der Anlage des Tennisclubs. Es war das einzige Stück Land, das Joe besaß und je besessen hatte, und sein Wein schmeckte, wie Bruno fand, jedenfalls nicht schlechter als der
pinard,
den es beim Militär zu trinken gab - für jeden einen Liter billigen Rotwein pro Tag, der Beitrag des französischen Staates an seine Soldaten, die die
tricolore
durch die Höhen und Tiefen der Geschichte begleiteten.
    »Du machst dir was vor, Bruno«, sagte Montsouris, der einzige Kommunist im Stadtrat, ein großgewachsener, bulliger Eisenbahner. »An seinem Wein hat er doch überhaupt kein Interesse. Der Rugbyclub ist scharf auf sein Land, und er lässt nur deshalb Rebstöcke darauf wachsen, weil er für eine Weinparzelle viel mehr verlangen kann.«
    »Und hier haben wir noch einen Nordamerikaner, der unsere Stadt besucht, Monsieur Bondino«, sagte Bruno, als der junge Mann, mit Einkaufstaschen bepackt, das Lokal betrat. Als er Jacqueline sah, blieb er wie angewurzelt stehen. Sie musterte ihn mit kühler Miene, schien ihn dann aber wiederzuerkennen und grinste bis über beide Ohren. Sie gaben sich die Hand und sprachen Englisch miteinander, viel zu schnell, als dass Bruno mit seinen begrenzten Englischkenntnissen hätte

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