Grand Cru
jetzt wieder wundersam entspannt und ruhig. Wie lange würde sie diesmal bleiben? Bislang hatten sie diese Frage wohlweislich ausgeklammert.
Sie wollte, dass er den Job wechselte, sein Leben umkrempelte und zu ihr nach Paris zog. Doch ein Leben als Großstadtpolizist reizte ihn nicht, wiewohl er sich von Herzen wünschte, jeden Morgen neben Isabelle aufwachen zu können. Im Grunde hatte sie ihre Wahl schon getroffen, als sie von der
police nationale
im nahegelegenen Périgueux zu einem gutdotierten Job im Ministerium aufgestiegen war. Was also lag vor ihnen? Kurze Wochenenden miteinander und ansonsten ein getrennter Alltag, in den sich früher oder später andere Affären einschleichen würden? Eine solche Zukunft behagte ihm nicht, zumal er immer noch der vagen Hoffnung nachhing, dass eines Tages eine Frau in das von ihm gebaute Häuschen einzöge und Kinder kämen, mit denen er Tennis spielen und durch die Wälder streifen könnte.
Und in dieses Wunschbild passte Isabelle nicht wirklich hinein.
Bruno seufzte leise.
Que sera sera.
Er lag auf dem Rücken, hatte die Hände im Nacken gefaltet und ließ die Gedanken treiben. Isabelle würde bis zum Abschluss der Ermittlungen bleiben, dann nach Paris zurückkehren oder einem neuen Auftrag folgen. Der
brigadier
hatte ihm zu verstehen gegeben, dass die Fahndung nach dem oder den Tätern nur Teil einer größeren Operation war, die darauf abzielte, Informationen über alle militanten
écolos
zu sammeln und Agricolae zu schützen. Bruno selbst hatte damit nichts mehr zu tun, zum Glück. Das von diesem
brigadier
repräsentierte Frankreich gefiel ihm nicht, was wiederum bedeutete, dass er und Isabelle unterschiedliche Ziele verfolgten.
Sein Verdacht gegen Max hatte sich nach der Demonstration noch erhärtet. Dass sich der Junge von den Krawallmachern abgesondert hatte, war nicht etwa darauf zurückzuführen, dass er eine andere politische Haltung vertrat, sondern schlicht und einfach auf den Umstand, dass er Einzelgänger war. Das zeigte sich allein schon in der Art, wie er Rugby spielte. Max würde sich nie einer Gruppe anschließen, geschweige denn unterordnen. Er hatte seinen eigenen Kopf, und den setzte er durch. Der Brandanschlag passte zu ihm, denn es war nach Brunos fester Überzeugung die Tat eines Einzelnen. Darauf deuteten auch die von den Überwachungskameras gemachten Aufnahmen hin.
Das Dumme war nur, dass er Max mochte und nicht wollte, dass ein so hoffnungsvoller Junge sein Leben verpfuschte und für ein Verbrechen ins Gefängnis käme, das im Grunde eine Eselei war, ein törichter Akt idealistischer Schwärmerei. Und wie würde wohl Max reagieren, wenn er Jacqueline ausgerechnet an Bondino verlöre? Die beiden hatten zur selben Zeit wie er und Isabelle Joes Party verlassen.
Der Gedanke an Bondino lenkte Brunos Gedanken zu größeren Sorgen, nämlich auf dessen Investitionsabsichten. Er mochte diesen Amerikaner nicht, und diesem glatten Dupuy misstraute er regelrecht. Es schmeckte ihm ganz und gar nicht, dass sich der Bürgermeister anschickte, hinter dem Rücken der Bürger von Saint-Denis mit diesen Leuten Geschäfte auszukungeln. Selbst wenn über ausgeklügelte Pachtverträge Anteile an zukünftigen Profiten gesichert werden könnten, war es einfach nicht richtig, Grundbesitzer dazu zu zwingen, ihr Land unter Preis herzugeben. Das musste doch auch der Bürgermeister einsehen. Und damit stellte sich für Bruno die eigentliche Frage: Was wäre, wenn er ihn nicht umstimmen könnte und der Bürgermeister darauf bestehen würde, dass das Projekt zustande käme? Diese Frage beschäftigte ihn so sehr, dass er darüber vergaß, Isabelle wach zu küssen und in den Arm zu nehmen, ja, er bemerkte gar nicht, wie strahlend schön dieser Septembermorgen war.
Weil er aber fest daran glaubte, dass nach einem Sprung unter die Dusche die Welt immer gleich ein bisschen besser aussah, schlüpfte er leise aus dem Bett, ließ seinen Blick noch eine Weile auf Isabelles schlafender Gestalt verweilen und ging dann hinaus auf die Veranda, um seinen Hund zu begrüßen. Gemeinsam drehten sie die übliche Runde durch den Gemüsegarten und zum Hühnerstall, wo er die Enten und Hühner fütterte. Wie gewöhnlich machte er dann auch seine Morgengymnastik, bevor er den Wasserkessel aufsetzte und ins Badezimmer ging. Geduscht und rasiert, in Shorts und T-Shirt, warf er einen Blick ins Schlafzimmer. Isabelle schlief immer noch. Er kehrte in die Küche zurück, schnitt das Baguette vom
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