Grand Cru
»Gib's zu, du hast das alles arrangiert für meine Rückkehr ins wahre Frankreich, zu dir, meinem wahren Bruno.«
Bruno lachte, herzte sie und tauschte zärtliche Worte mit ihr, während sie, von schweren Düften umhüllt, einen Walzer durch die Maische zu tanzen versuchten. Doch für ihn mischte sich ein Wermutstropfen in seine fröhliche Stimmung, weil er wusste, dass dieser wunderschöne Moment nicht von Dauer sein konnte und sie nach Paris zurückkehren würde. Sei's drum. Jetzt war sie hier, betrachtete ihn aus großen Augen, hob ihre Hand an sein Gesicht, und sie vergaßen alles um sich herum.
»Seid ihr endlich so weit?«, rief Joe. »Bruno, du weißt doch, wie's geht.«
Es war an der Zeit, die Plätze beziehungsweise Partner zu tauschen, doch Bondino und Jacqueline wollten sich ihren Spaß anscheinend nicht nehmen lassen.
»Ihr wart lang genug hier drin«, sagte Bruno und gab Bondino einen Stups in Richtung Leiter. »Jetzt kommen andere an die Reihe.«
Schaum spritzte auf, als Joe ins Fass stieg, um die Konsistenz der Maische zu prüfen. Sie war nicht mehr schmierig und dickte bereits ein. Offenbar war er mit dem Ergebnis zufrieden. Er nickte und sagte: »Gut so, ihr könnt alle raus. Auch Bruno, und Sie ebenfalls, Kanada. Die Suppe muss jetzt ruhen, und morgen sehen wir weiter.«
»Das war's?«, fragte Jacqueline und folgte Isabelle über die Leiter, von der ihr Bondino auf den Boden zurückhalf. »Wird denn der Saft nicht abgelassen? Bleibt er über Nacht stehen?«
»Wie immer, und daran ändert sich auch nichts«, antwortete Joe. »Würden Sie bitte den Schlauch halten und uns abspritzen? Und geben Sie uns bitte ein Handtuch?«
»Fühlt ihr euch auch ein bisschen schwummrig?«, fragte er, als alle abgespült und abgetrocknet waren. »Das kommt von der Kohlensäure, die aufsteigt, wenn das Zeug zu gären anfängt. Deswegen auch der Ventilator.«
»Geben Sie Hefe dazu?«, wollte Jacqueline wissen.
»In den Mauern dieser Scheune stecken so viele Hefesporen, dass man halb Bordeaux damit infizieren könnte, junge Frau. Wir überlassen alles Mutter Natur, wie schon unsere Vorfahren seit Hunderten von Jahren. So, und jetzt gebe ich Ihnen mal den Wein vom letzten Jahr zu probieren, damit Sie einen Eindruck davon kriegen, wozu Ihre Hilfe gut war. Wo sind die Gläser?«
Er zog eine waagerecht gelagerte Flasche aus einem Gestell, öffnete sie mit einem alten Korkenzieher, dessen Griff aus Olivenholz geschnitzt war, schenkte allen ein und erhob sein Glas.
»Auf den neuen Jahrgang«, rief er und stürzte den Inhalt seines Glases in sich hinein wie ein Russe seinen Wodka.
Jacqueline starrte auf die trübe Flüssigkeit in ihrem Glas, führte es an die Nase und schnupperte daran. Ihre Augen weiteten sich. Sie nahm einen kleinen Schluck, bewegte ihn über Zunge und Gaumen und spuckte aus, als habe sie den Tropfen nur verkosten wollen. Joe war entsetzt, worauf sie, nur um ihn zu beruhigen, noch einmal an ihrem Glas nippte und ein kleines Schlückchen zu sich nahm. Auch Bondino schien sich gegen eine Kostprobe zu sträuben, während Isabelle ihr Glas diskret auf einem der Fässer abstellte.
»Na, was halten Sie von meinem Wein, Mademoiselle Kanada?«, fragte Joe.
»Sehr authentisch, ganz nach Art seiner Lage und seines Erzeugers, Monsieur.«
»Sie sind sehr freundlich und im Unterschied zu unserem Freund Bruno hier offenbar eine
connaisseuse,
die weiß, was sie trinkt. Ich werde ein paar Fläschchen für Sie aufheben.«
Bruno musste an sich halten, um nicht laut aufzulachen. Joe war kein Narr und machte sich nichts vor, was seinen Wein anging, aber es schien ihm zu gefallen, eine höfliche junge Frau dazu zu bringen, seinen
pinard
zu loben, und ihr mehr davon aufzuschwatzen.
»Oh, besten Dank, aber nein, lieber nicht. Ich habe gehört, dass sich die halbe Stadt auf Ihre Lieferung verlässt, um ihren
vin de noix
aufsetzen zu können, und der will ich nicht den Hahn abdrehen.« Die junge Frau hatte die Klippe bravourös gemeistert.
»Lasst uns feiern und tanzen«, rief Bruno.
»Aber nicht zu lange«, flüsterte Isabelle und schnallte den Gürtel ihrer Jeans zu.
20
Als Bruno allmählich aus seinen Träumen erwachte, spürte er als Erstes Isabelles Arm auf seiner Brust und ein tiefes Gefühl von Zufriedenheit, das er dem glücklichen Wiedersehen und den zu lange aufgeschobenen Wonnen der vergangenen Nacht verdankte. Er schaute sie an. Sie schlief noch, hatte die Lippen ein wenig geöffnet. Ihr Gesicht war
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