Grand Cru
kaputtmachen lassen.«
»Überlegen Sie sich das noch einmal«, sagte Bruno zögernd. »Cresseil ist einer von uns, ebenso Max. Wir sind
ihnen
verpflichtet, nicht Bondino, zumal noch fraglich ist, ob er wirklich bei uns investieren wird. Bedenken Sie auch, dass Alphonse in der nächsten Ratssitzung wahrscheinlich nachfragen wird, ob das Gericht in Sarlat die Adoption bestätigt hat. Wir würden ziemlich dumm dastehen, wenn sich herausstellte, dass die Unterlagen noch gar nicht abgeschickt sind. Und dann war es wohl noch viel schwieriger, Max und Cresseil auf unsere Linie zu bringen und zum Verkauf an Bondino zu bewegen.«
Der Bürgermeister presste die Lippen aufeinander und war sichtlich verärgert. Dann holte er tief Luft. »Verflixt, Sie haben recht. Ich aber auch, und das wissen Sie. Uups, ich muss jetzt zur Trauung. Keine Sorge, ich werde die Adoptionsunterlagen weiterreichen, aber erst in ein paar Tagen. Was kann man anderes erwarten? Bei all dem, was ich um die Ohren habe, habe ich einfach nicht mehr dran gedacht. Wenn wir diesem Amerikaner nicht garantieren können, dass er das Land kriegt, ist sein Projekt geplatzt, und dann macht uns der Rat richtig Ärger.«
»Aber der Rat weiß doch noch gar nichts davon«, sagte Bruno.
»Bondino weiß, wie der Hase läuft. Er könnte zum Beispiel das Gerücht in die Welt setzen, ich würde verhindern, dass unser Grund und Boden an Wert gewinnt. Das würde ich an seiner Stelle tun. Uns bleibt nicht viel Zeit. Ich schlage vor, wir treffen uns morgen mit Xavier und sprechen alles durch.«
Seit fast zehn Jahren war Bruno nun schon als
chef de police,
gewissermaßen die rechte Hand des Bürgermeisters, und noch nie hatte es eine ernsthafte Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen gegeben, bis heute. In gedrückter Stimmung verließ er die
mairie.
Draußen strahlte die Sonne, und schlagartig ging es ihm besser, als er, an die Tür seines Transporters gelehnt, die schlanke Frau erkannte, die mit einer prall gefüllten Einkaufstasche auf ihn wartete.
»Steak, Salat, Käse und eine Flasche Saint-Emilion«, sagte Isabelle, als er mit ausgestreckten Armen auf sie zuging. »Wie beim ersten Mal. Und ich habe auch einen Knochen für Gigi.«
Und dann hielt er sie in seinen Armen, sie, die so groß war, dass sie sich nicht auf die Zehenspitzen stellen musste, um ihm, Wange an Wange, ins Ohr zu flüstern: »Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich so vermisse.«
Vergessen war all seine Grübelei darüber, wie er ihr begegnen, was er ihr sagen sollte und ob sie ihm womöglich reserviert gegenübertreten würde.
»Sag mal«, sagte er und küsste sie, »hast du jemals Trauben mit bloßen Füßen gemaischt?«
»Nein.« Sie lehnte sich zurück und zeichnete mit dem Zeigefinger seine Lippen nach. »Aber ich maisch noch was Besseres. Komm, lass sehen, wie schnell uns deine alte Karre zu dir bringt.«
19
Die Weinleseparty war noch im Gange, als Bruno und Isabelle am späten Nachmittag eintrafen. Beide hatten noch feuchte Haare vom Duschen, ihr Begehren schien aber noch längst nicht gestillt. Akkordeonmusik der dreißiger Jahre - Joes Lieblingsmusik - schallte über den Hof, und eine Schar nacktbeiniger Gäste scheuchte mit jedem Schritt und Tritt das eine oder andere von Joes frei laufenden Hühnern auf.
Montsouris, der Kommunist, saß bei Karim und dessen Frau Rashida, die das Straßencafe am Ortseingang von Saint-Denis führten, und kitzelte ihren neugeborenen Sohn unterm Kinn. In Badehose und T-Shirt und mit breitem Grinsen im Gesicht war er, der im Stadtrat immer gern den kämpferischen Gewerkschafter gab, kaum wiederzuerkennen. Stéphane, der Milchbauer mit Schenkeln wie Baumstämme, hatte liebevoll den Arm um seine Frau gelegt und hielt mit der freien Hand ein großes Weinglas. Brosseil, der Notar, unterhielt sich mit Gérard vom Campingplatz, dessen spindeldürre Beine offenbar zum ersten Mal in diesem Jahr ans Tageslicht gekommen waren. Rollo, der Rektor des
collège,
schenkte Wein aus.
Mit großem Hallo wurden Bruno und Isabelle begrüßt, als sie Hand in Hand auf den Hof kamen, ein verklärtes Lächeln auf den Lippen, das alle wissen ließ, wie sie den Nachmittag verbracht hatten. Bruno zog Stiefel, Socken und Hose aus und spülte, wie es beim alljährlichen Traubentreten Brauch war, die Beine unterm Wasserhahn ab. Wie die meisten Männer trug er eine Badehose, und mit dem T-Shirt, das er anhatte, sah er aus, als wolle er Tennis spielen. Angesichts seiner nackten Beine
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