Grand Cru
und für Löhne, und da war dann noch dieser zweite Spezialist, den wir konsultiert haben. Wahrscheinlich werde ich auch noch eine Rechnung vom Gericht bekommen. Mir bleibt nichts anderes mehr übrig, Bruno. Ende des Jahres wird die Domaine verkauft sein, mit allem Drum und Dran, den Möbeln, Weinvorräten und sogar mit der Ernte aus diesem Jahr. Deshalb hab ich auch keine Lust zur Arbeit mehr. Ist ohnehin alles für die Katz.«
»Oder auch nicht. Falls die Ärzte recht behalten und Mirabelle tatsächlich bald sterben muss, hättest du Geld aus ihrer Lebensversicherung. Wenn sie sich aber, was wir alle hoffen, wieder erholt, könntet ihr sie euch auch auszahlen lassen. So oder so, du solltest auf Mirabelle hören. Du bist ein aktiver Mensch und würdest dich ohne deine Arbeit zu Tode langweilen. Das Leben geht weiter, Julien, und es wäre vielleicht angebracht, wenn du einen Gang durch deinen Weinberg machst und nachsehen würdest, ob es nicht Zeit zum Ernten ist. Deine Helfer stehen bereit, und andernorts wird schon gelesen. Du willst den richtigen Zeitpunkt doch nicht etwa verpassen, oder?«
»Du hast recht. Tu mir einen Gefallen und komm mit, leiste mir Gesellschaft. Es kann auch nicht schaden, eine zweite Meinung zu hören, ob es Zeit zur Ernte ist. Danach könnten wir einen Happen zu Mittag essen.«
26
Pamela kam als Erste von Brunos Gästen. Gigi rannte ihr kläffend entgegen, als sie mit ihrem klapprigen Citroën
deux-chevaux
vorfuhr. Bruno winkte ihr durchs Küchenfenster zu, vergewisserte sich, dass alle Gerichte, die er zubereitet hatte, mit Tüchern abgedeckt waren, und ging mit einer Flasche Champagner nach draußen. Die Engländerin trug ein blassblaues schulterfreies Sommerkleid, hatte ein weißes Jackett über den Arm gelegt und reichte ihm zur Begrüßung ein großes Einmachglas. Gigi schnüffelte neugierig.
»Ich weiß, Sie haben jede Menge Marmelade«, sagte sie. »Aber die hier werden Sie bestimmt noch nicht probiert haben. Rosenknospenmarmelade nach einem Rezept meiner Großmutter.«
»Besten Dank. Mal was ganz anderes. Davon habe ich noch nie gehört. Warum haben Sie Jacqueline nicht mitgebracht?«
»Sie kommt mit Hubert und Nathalie«, antwortete Pamela. »Übrigens, sie hat ihre erste Miete schon im Voraus bezahlt, mit anderen Worten, sie scheint an ihren Plänen festhalten zu wollen und lässt sich nicht unterkriegen.«
»Vielleicht können wir sie heute Abend ein bisschen aufmuntern. Hier, nehmen Sie das Glas. Hätten Sie gern einen Schuss Cassis in den Champagner?«
»Nein, danke, an einem so schönen lauen Abend habe ich ihn gern pur.« Sie drehte sich um, genoss die Aussicht auf die sanft geschwungenen Hügel und ließ den Blick über Brunos Garten schweifen, die Reihen der Trüffel-Eichen und Obstbäume, die Gemüserabatten und den Hühnerstall.
»Nach dem, was Sie mir von Ihrem Hof erzählt haben, habe ich mir das alles sehr viel kleiner vorgestellt. Haben Sie im Haus noch eine Familie versteckt, von der niemand wissen soll, oder wollen Sie mir Konkurrenz machen?«
»Es gibt bestimmt nicht viele Urlauber, die im Haus eines Polizisten übernachten wollen«, sagte Bruno und stieß mit ihr an. »Es könnte sie davon abhalten, auszuspannen. Außerdem kann ich keinen Swimmingpool bieten.«
In der Ferne war ein Auto zu hören, das sich die steile Zufahrt hochquälte, und bald tauchte der alte Citroën ds des Barons auf. Gigi lief los, um den neuen Gast zu begrüßen, und verdoppelte seine Bellfrequenz, als der Baron die Heckklappe öffnete und seinen Hund nach draußen springen ließ, eine riesige Bordeaux-Dogge, die auf den Namen Général hörte. Die beiden alten Freunde und Jagdgefährten beschnüffelten einander höflich und sprangen dann davon, in den Wald.
Der Baron reichte Bruno eine in braunes Papier eingewickelte Flasche mit dem Wachssiegel von Hubert de Montignacs
cave.
»Ich habe von Hubert gehört, dass er dir ein Fläschchen Saint-Estèphe versprochen hat«, sagte er mit seiner weichen Bassstimme. »Zum Vergleich habe ich einen guten Beaune mitgebracht. Vielleicht lässt sich heute der alte Streit entscheiden, welcher Tropfen besser ist.«
In diesem Moment bog Huberts weißer Mercedes mit zurückgeklapptem Verdeck um die Ecke. Mit einem Schal um den Kopf und einer großen Sonnenbrille auf der Nase saß Nathalie auf dem Beifahrersitz, Jacqueline mit wehendem Haar auf der Rückbank; sie wirkte fröhlicher, als man es erwartet hätte.
»Mon dieu,
die ist aber
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