Grand Cru
abgesehen von Max?«
»Hat sie denn welche?«
»Ich habe Ihnen doch von dem Amerikaner erzählt, der ihr betrunken nachgestellt hat. Er hatte sich mit Max ihretwegen geprügelt und glaubt anscheinend, dass er bei ihr an erster Stelle steht.«
»Nie gesehen. Ich dachte, Max wäre ihr fester Freund gewesen. Und damit hätte sie durchaus guten Geschmack bewiesen.«
34
Jacqueline öffnete auf sein Klopfen die Tür und lud ihn mit freundlichem Lächeln zu sich ein. Sie trug Jeans, ein T-Shirt und hatte die Lippen geschminkt. Es schien, dass sie ihre Gefühle unter Kontrolle hatte. Ihr Laptop war aufgeklappt und eingeschaltet. Neben einem aufgeschlagenen Fachbuch stapelten sich Aktenordner. Vielleicht war die Affäre mit Max für sie nur ein Spiel gewesen, ein Geplänkel wie mit Bondino. Bruno musste sich eingestehen, von ihr angetan zu sein, obwohl er seine Vorbehalte gegen sie hatte.
»Tut mir leid, wenn ich störe, aber da Sie Max recht nahestanden, muss ich Ihnen ein paar Fragen stellen. Rein routinemäßig.«
»Schon okay, ich verstehe.« Sie setzte sich in einen Sessel und lud ihn mit einer Handbewegung ein, auf der Chaiselongue ihr gegenüber Platz zu nehmen. »Ich habe ihn sehr gern gehabt, und vielleicht hätte mehr daraus werden können. Er war voller Leben und Zukunft.«
»Aber ein paar Jahre jünger als Sie, nicht wahr?«
»Na und? Jedenfalls war er kein Kindskopf. Mit ihm konnte man reden, nicht nur über Sport.« Im Unterschied zu anderen Männern, schien sie im Stillen hinzuzufügen. Sie beugte sich vor, zog ein Papiertaschentuch aus einem Päckchen, das neben ihr auf dem Beistelltischchen lag, und betupfte sich die Augen.
»Wann haben Sie ihn das letzte Mal lebend gesehen?«, wollte Bruno wissen. Bruno hatte bei Verhören darauf zu achten gelernt, ob und wie sich die Stimmung oder das Verhalten der Befragten veränderte und inwiefern sie auf eine solche, von der Polizei vorgegebene Situation Einfluss zu nehmen versuchten.
»Nach der Prügelei im Café, von der Sie ja noch was mitbekommen haben, hat er mich zu meinem Fahrrad gebracht und mir eine gute Nacht gewünscht. Das war das letzte Mal.«
»Also ungefähr fünf Minuten nachdem Sie mich aus dem Café haben kommen sehen.«
»Vielleicht waren es zehn Minuten, aber nicht länger.« Sie lächelte zaghaft und führte ihre Hand an die Wange, als erinnerte sie sich an einen zärtlichen Moment.
»Und dann sind Sie gleich hierher zurückgefahren?«
»Ja.«
Bruno lehnte sich zurück und schaute sie an. Es schien, dass sie unter seinen Blicken den Rücken straffte. Eine Pose, sicherlich, aber warum log sie? Pamela war sich sicher, dass sie nicht vor eins zurück gewesen war, also mindestens zwei Stunden nach der Schlägerei im Café. Und mit wem sollte Max kurz vor seinem Tod geschlafen haben, wenn nicht mit ihr? Er nahm sein Notizbuch zur Hand, schrieb etwas hinein und bemerkte, dass sie nach einem zweiten Taschentuch langte. Er ließ sie warten in der Absicht, sie aus der Reserve zu locken.
»Ich habe Max wirklich gemocht«, sagte sie und brach damit das Schweigen. »Unsere Beziehung wurde immer besser. Die meisten Jungs in seinem Alter treten auf der Stelle, und was die einem zeigen, ist auch schon so ungefähr das, was sie draufhaben. Max war auch in dieser Hinsicht wesentlich weiter.«
Bruno blickte von seinem Notizbuch auf. Sie schaute ihn mit großen Augen an, den Mund leicht geöffnet und die Arme seitlich an die Brust gepresst, was den Busen noch besser zur Geltung brachte. Eine kokette Pose, wie er fand. Er schaute wieder auf sein Büchlein, setzte den Kuli an und fragte in flachem, fast gelangweiltem Tonfall: »Wie wirkte Max in dieser Nacht auf Sie? Normal oder bedrückt?«
»Ganz normal. Er war gut gelaunt.«
»Sind Sie sicher, dass Sie nicht noch mit Max auf Cresseils Hof gefahren sind? Hat er Sie nicht gebeten, ihm beim Maischen zu helfen?«
»Doch, aber ich war zu müde. Ich hatte den ganzen Tag gearbeitet und ihm am Abend geholfen, die Trauben zu ernten. Da wollte ich nur noch ins Bett.«
»Wie haben Sie sich von ihm verabschiedet? Haben Sie sich liebevoll umarmt?«
»Er war mein Freund.« Sie lächelte. »Wir haben uns geküsst.«
»Hatten Sie Sex miteinander?«
»Also bitte, ja?« Sie sprang auf und funkelte ihn an. »Das geht Sie nichts an. Außerdem hat das doch wohl überhaupt nichts mit seinem Tod zu tun.«
»Die Autopsie hat ergeben, dass er kurz vor seinem Tod Geschlechtsverkehr hatte, und wir müssen
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