Grand Cru
kritischem Blick. Es schien, als wollte er Einspruch erheben, ließ aber dann die Schultern hängen und seufzte. »Vielleicht hast du recht. Aber ist das denn überhaupt noch von Belang, jetzt, wo der Junge tot ist?«
»Durchaus, die Polizei brauchte nicht länger nach dem Brandstifter zu suchen«, brummte Jean-Jacques. »Uns bliebe mehr Zeit, herauszufinden, wer Ihren Jungen getötet hat.«
»Was soll das heißen?« Alphonse ließ die Arme hängen, das Handtuch streifte den Boden. Er wandte sich Bruno zu, und aus seinem Entsetzen wurde Wut. »Du hast mir doch gesagt, er ist erstickt, es war ein Unfall gewesen. Und jetzt heißt es, jemand hat ihn umgebracht?«
»Wir haben an seinem Kopf eine Platzwunde entdeckt. Noch ist nicht klar, ob er sie sich durch einen Sturz selbst zugefügt hat oder niedergeschlagen worden ist. Für die Ärztin besteht aber weiterhin kein Zweifel daran, dass er letztlich erstickt ist. - Eine Frage, Alphonse. Mir scheint, du hast gewusst, dass Max das Versuchsfeld angezündet hat. Wie bist du darauf gekommen?«
Ȇber seinen Laptop. Der
brigadier
hat meinen Computer beschlagnahmt, darum habe ich mich an seinen Apparat gesetzt, um unsere Bestellungen entgegenzunehmen. Wir verkaufen unseren Ziegenkäse ja auch übers Internet. Das hat Max so eingerichtet. Sein Laptop ist den Gendarmen durch die Lappen gegangen, weil er ihn in Cresseils Haus zurückgelassen hatte.«
Bruno hätte sich denken können, dass Max einen eigenen Laptop hatte. »Und was hast du nun darauf gefunden?«
»Ein Gedicht, an dem er gearbeitet hat, oder vielleicht sollte auch ein Lied daraus werden, ich weiß es nicht.« Alphonse lächelte traurig. »Alles andere scheint passwortgeschützt zu sein. Ich konnte nur das Gedicht öffnen. Es geht darin um die reinigende Kraft des Feuers, das aber einen scharfen Geruch zurücklässt. Dann war da noch eine ziemlich umfangreiche Datei zum Thema Gentechnik. Da brauchte ich nur eins und eins zusammenzuzählen. Ich wollte es dir ohnehin sagen, Bruno, morgen auf der Trauerfeier.«
»Ich fürchte, den Laptop müssen wir auch beschlagnahmen«, meinte Jean-Jacques. »Und Sie hätten uns eine Menge Zeit erspart, wenn Sie schon vorher damit herausgerückt wären.«
»Aber ich habe diese Texte doch erst heute Nachmittag gefunden«, schnappte Alphonse so trotzig, wie Bruno ihn noch nie erlebt hatte. »Ich habe den Laptop nur eingeschaltet, um unsere E-Mails lesen zu können. Max hat auch nach seinem Tod ein Recht auf Diskretion.«
»Belassen wir es dabei, es ist alles traurig genug«, sagte Bruno und legte Jean-Jacques eine Hand auf den Arm, als der zu einer heftigen Entgegnung anheben wollte. »Ich fühle mit dir, Alphonse. Du hast einen prächtigen Jungen aufgezogen, den wir alle vermissen werden. Wenn wir jetzt den Laptop haben könnten, sind wir auch gleich wieder weg.«
»Aber ich muss doch meine E-Mails lesen.«
»Verstehe. Dafür kannst du jederzeit meinen Computer in der
mairie
benutzen, so lange, bis du deinen wieder zurückhast. Mein Benutzername ist Bruno und das Passwort meine Handynummer.«
»Braucht Ihr keinen Gerichtsbeschluss oder so was Ähnliches?«
»Nein, brauchen wir nicht«, antwortete Bruno ruhig. »Eine Alternative wäre, ich warte hier mit dir darauf, dass Jean-Jacques mit einem Bus voller Gendarmen und dem Staatsanwalt zurückkommt, die einen Durchsuchungsbeschluss vorlegen und dir das ganze Haus auf den Kopf stellen. Das weißt du, Alphonse. Brandstiftung ist keine Bagatelle. Lass es uns nicht noch schlimmer machen, als es ohnehin ist.«
»Na schön«, seufzte Alphonse. Er ging in die Kuppel und kam wenig später mit dem Laptop zurück. »Du bist nach wie vor willkommen zur Trauerfeier morgen Abend. Max hat große Stücke auf dich gehalten.«
»Und ich auf ihn. Danke für die Einladung. Ich werde kommen. Halt die Ohren steif. Wenn du etwas brauchst, kannst du mich über Max' Handy erreichen. Mein eigenes ist kaputtgegangen, als ich ins Weinfass gestiegen bin.«
»In Ordnung. Behalte es. Auf Wiedersehen, Bruno.« Alphonse umarmte ihn und ging zurück ins Käselager.
»Sie sind ein seltsamer Polizist«, sagte Jean-Jacques auf dem Weg zurück zum Wagen. »Nur gut, dass keiner meiner Rekruten hier war. Mitzuerleben, wie Sie anderen einfach Ihre Zugangsdaten anvertrauen, hätte sie in ihrer Ausbildung um Jahre zurückgeworfen.«
»Oder es wäre vielleicht genau das gewesen, was sie brauchen. Es täte bestimmt allen gut, eine Zeitlang als Dorfbulle zu
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