Grand Cru
Unterschrift in mein Büro zu kommen. Und lassen Sie sich noch gesagt sein, dass Falschaussagen in einem Strafprozess nach französischem Recht mit Haftstrafen geahndet werden.«
Er war schon auf halbem Weg zur Tür, als er sich noch einmal umdrehte. »Oh, noch etwas. Dürfte ich einen Blick in Ihren Pass werfen?«
Sie kramte in ihrer Handtasche und holte ihn hervor. Er überprüfte das Passbild und notierte ihr Geburtsdatum, die Passnummer und das Datum auf dem Stempel der französischen Grenzkontrolle. 15. August. Er gab ihr den Ausweis zurück.
»Mein Beileid zum Tod Ihres Freundes, Jacqueline. Es kann sein, dass Sie als Zeugin vor Gericht aussagen müssen. Bitte halten Sie sich zur Verfügung und verlassen Sie Saint-Denis nicht, ohne mich vorher in Kenntnis zu setzen.«
35
Von der Besatzung der mobilen Einsatzzentrale, die in Cresseils Hof parkte, kannte Bruno niemanden. Ein junger Mann, dem frühzeitig die Haare ausgefallen waren, stellte sich als Jean-Jacques' Mitarbeiter Yves vor und verlangte nach Brunos altem Handy, das im Weinfass seinen Geist aufgegeben hatte.
»Jean-Jacques ist zum
Manoir
gefahren, um mit dem Amerikaner zu sprechen«, sagte er. »Ich soll mir Ihr Handy anschauen. Von ihm weiß ich auch, dass Sie den Brandanschlag aufgeklärt haben.«
Bruno gab ihm sein Handy und auch das von Max. Yves verkabelte beide und ein drittes mit seinem Laptop und ließ die Finger über die Tastatur tanzen.
»Sie hatten jede Menge Anrufe«, sagte er wenig später. »Das Ding ist nicht mehr zu retten, aber der Speicher tut's noch. Und dieses zweite Handy, wem gehört das?«
»Dem Verstorbenen. Ich habe es selbst eine Weile benutzt, aber vielleicht gewinnen wir daraus ein paar Hinweise.«
»Ich will's versuchen. Hat Ihr Gespräch mit dieser Freundin was ergeben?«
»Nichts Besonderes. Ich weiß nicht, ob ich ihr trauen kann. Sie sagt, sie hätte nach der Schlägerei im Café mit ihrem Freund geschlafen und sei gleich danach nach Hause gefahren. Ihre Wirtin aber ist sich ziemlich sicher, dass sie erst nach eins zurück war. Vielleicht hat das romantische Intermezzo doch etwas länger gedauert.«
»Möglich. Wenn man seinen Spaß hat, geht die Zeit ruck, zuck vorbei. Hier ist Ihr neues Handy. Ich habe Ihre alten Nummern und Nachrichten übertragen. Kleine Sonderleistung der
police nationale.
Wenn Sie was brauchen, lassen Sie's mich wissen.«
Yves zog sich in den Wagen zurück. Bruno ging auf seinem neuen Handy die Anruflisten durch und stellte fest, dass ihn Jacques, sein Kollege aus der Nachbargemeinde weiter unten am Fluss, zu erreichen versucht hatte. Er rief zurück und erfuhr, dass ein toter weißer Hund ans Ufer gespült worden war. »Wenn Ihr Chef nach mir fragt, sagen Sie ihm, dass Cresseils Hund gefunden worden ist«, rief Bruno Yves zu und machte sich auf den Weg.
Jacques erwartete ihn vor der Brücke an der Mündung der Vézère in die Dordogne gleich neben dem Rugbyfeld, dem, wie Bruno fand, schönsten im ganzen Tal, was für die Heimmannschaft von unschätzbarem Vorteil war: Die Gäste ließen sich immer wieder von dem herrlichen Panorama der Flussbiegung, der schmucken Brücke und dem Château auf dem Felsvorsprung darüber ablenken. Sie schüttelten sich die Hand. »Kein schöner Anblick«, meinte Jacques.
»Sind Wasserleichen nie.«
»Das meine ich nicht. Aber du wirst es gleich selbst sehen.« Er führte Bruno über ein Picknickgelände unter Bäumen. Es gab dort einen Bootsverleih, der noch geöffnet hatte, obwohl die Saison eigentlich vorüber war. Der Geruch von Holzkohlenfeuer hing in der Luft. Zwei Familien grillten.
Yves steuerte auf das Ufer zu, wo das flache Kehrwasser der Flussbiegung über bemooste Feldsteine plätscherte. Der Hund lag am Rand, nicht etwa aufgeschwemmt, wie man es hätte erwarten können, aber mit zerschmettertem Schädel. Das Blut war abgewaschen, und aus dem zerfetzten Fell standen weiße Knochensplitter hervor.
»Ziemlich übel zugerichtet«, sagte Yves.
»Er war schon sehr alt, früher aber ein großartiger Jagdhund.« Bruno ging neben dem Kadaver in die Hocke. Nach der Art der Verletzung zu urteilen, schien der Porcelaine mit einem großen Stein erschlagen worden zu sein. »Hast du eine Ahnung, wie lange er im Wasser getrieben sein könnte, von Saint-Denis bis hierher?«
»Zwischen zwölf Stunden und ein, zwei Tagen, je nach Strömung. Und so ein Vieh bleibt ja auch immer wieder irgendwo hängen. Manchmal gehen die Hechte dran. An dieser Stelle
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