Grandios gescheitert
erhöhen, also klare wirtschaftliche Vorteile bieten. Für den Horizont der Mitglieder der zaristischen Geographen-Vereinigung aber war das Projekt ein paar Nummern zu groß, Demtschenkos ehrgeizige Vision bekam keine Chance.
Erst nach der Oktoberrevolution griff eine neue Generation von weniger skrupulösen Visionären die Idee wieder auf. Zwischen 1920 und 1936 wurden mehrere Pläne entwickelt, die aber allesamt verworfen wurden, bevor die eigentliche Planung beginnen konnte. Bis auf einen sahen diese Projekte vor, die Flüsse Ob, Irtysch und Jenissei aufzustauen und mittels Schwerkraft nach Süden durch die Turgaj-Senke abzuleiten, die die Nord-Süd-Wasserscheide bildet. Ein weiterer Vorschlag wollte das Wasser mittels Pumpstationen über die Wasserscheide hinwegbefördern, damit es nach Süden abfließen konnte. Einstweilen aber schien Sibirien noch nicht interessant genug für ein solches Vorhaben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und bei nunmehr größerer Aufmerksamkeit für den asiatischen Teil der Sowjetunion schlug ein Ingenieur ein ähnliches Projekt vor, das, nach ihm benannt als Dawydow-Plan, weit über die Grenzen der Sowjetunion hinaus bekannt wurde. Ganz im Tenor der Zeit und nach dem Geschmack Stalins begann Dawydow 1949 einen Artikel über sein Projekt mit diesen Worten: »Wir bauen den Kommunismus auf, wir verändern das Leben auf der Erde. Im steten Voranschreiten des Sowjetvolks zum Kommunismus gewinnt die Aufgabe der Umgestaltung der Erde, auf der wir leben, die Aufgabe der Veränderung der umgebenden Natur, eine vitale Bedeutung.« Mit derart markigen Worten machten auch andere Projekte von sich reden, die zum »Großen Stalin’schen Plan zur Umgestaltung der Natur« gezählt werden.
Im Dawydow-Plan geht es nicht mehr nur darum, das Wasser dahin zu führen, wo es der Landwirtschaft dienen soll – direkt zur Bewässerung, indirekt durch die Klimaveränderungen. Im Zuge der Umleitung soll die Wasserkraft gleichzeitig zur Energiegewinnung genutzt und eine Schifffahrtsverbindung zwischen der Karasee im Nordmeer, dem Baikalsee im südlichen Sibirien und dem Kaspischen Meer im Süden der Sowjetunion geschaffen werden. Dafür sollte zunächst der Ob, nachdem er das Wasser des Irtysch aufgenommen hat, mittels eines fast 80 Meter hohen Dammes aufgestaut werden. Vorgesehen war ein riesiger Stausee: über 250.000 Quadratkilometer groß und gefüllt mit über 5.000 Kubikkilometer Wasser. Durch die westsibirische Tiefebene sollte ein Kanal den neuen See mit dem Aralsee im Südwesten verbinden. Von dort aus sollte es mit einer Reihe von Staudämmen und -seen weitergehen bis zum Kaspischen Meer. Alles in allem ging es um eine Strecke von rund 4.000 Kilometern. Das Wasser hätte zunächst nur Ob und Irtysch entnommen werden sollen, in einer späteren Projektphase aber auch dem weiter westlich gelegenen Jenissei, der ebenfalls zur Stauung vorgesehen war. Dessen Wasser sollte in den Oberlauf des Kas und von dort in einen Kanal geführt werden, der die Wasserscheide zwischen Ob und Jenissei überwinden sollte. Von da ging es über den Fluss Ket in den Ob.
Trotz der ideologischen Verankerung des ehrgeizigen Vorhabens und des postulierten Synergieeffekts der verschiedenen Maßnahmen musste sich Dawydow viel Kritik anhören. Bei allem Gewinn für die südlichen Regionen wurden selbst damals schon die Folgen der ökologischen und klimatischen Eingriffe diskutiert: Große Landstriche wären überflutet worden, darunter neben land- und forstwirtschaftlich bedeutsamen Gebieten auch mehrere Städte. Ebenfalls betroffen gewesen wären wichtige Verkehrswege, darunter die wirtschaftlich überaus wichtige Transsibirische Eisenbahn. Und schließlich wäre nur noch der geringere Teil des Wassers aus Ob und Jenissei im Nordmeer gelandet. Auch der bauliche und logistische Aufwand des Großprojekts wurde kritisch gesehen, ebenso die Folgen für den Wasserhaushalt der Westsibirischen Tiefebene, die angesichts der umfänglichen Wasserbaumaßnahmen zu versumpfen drohte. Nicht nur musste sehr viel Erde, sondern auch sehr viel Geld umgeschichtet werden – und das über einen längeren Zeitraum von mehreren Jahrzehnten, bevor sich das Ergebnis wirtschaftlich auszahlen konnte. Die Menge an Boden, die für das Projekt hätte bewegt werden müssen, belief sich auf bis zu 15 Milliarden Kubikkilometer. Noch ernüchternder waren die veranschlagten Kosten von bis zu 200 Milliarden Rubel.
Sowjetische Weltumgestaltung
Obwohl das bekannteste
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