Grandios gescheitert
stieß das nicht auf Begeisterung bei den Spaniern, zumal Karl gar kein Spanisch sprach, erst mehr als zwei Jahre nach dem Tod seines Großvaters ins Land kam und dann aus seiner Herkunft und flandrischen Prägung keinen Hehl machte. Zeitweise stand die Stadt Toledo an der Spitze der Opposition – und schließlich offener Rebellion – gegen den König. Dieser Comuneros-Aufstand wird in der Forschung inzwischen als eine Art bürgerliche Revolution verstanden, in der das aufstrebende Bürgertum um mehr politischen Einfluss kämpfte, nicht nur, aber gerade auch in der eigenen Stadt. Die Bewegung unterlag jedoch, nicht zuletzt wegen der inneren Zerstrittenheit hinsichtlich ihrer Ziele, was der Monarchie die Möglichkeit verschaffte, künftig weniger im Konsens und stärker absolutistisch zu regieren. Das wiederum führte im Großen und langfristig zur Überdehnung des Königreiches und zur Überforderung des Staates – im Kleinen und kurzfristiger verbaute es den städtischen Handwerker- und Kaufmannsschichten nicht nur politische, sondern auch ökonomische Entwicklungsmöglichkeiten.
In Spanien blieb Karl vorerst der Ausländer, wozu die langen Jahre seiner Abwesenheit beitrugen – die der Tatsache geschuldet waren, dass sein Reich nicht nur aus Spanien und den überseeischen Besitzungen bestand, sondern seit 1519 auch das Heilige Römische Reich und Österreich dazuzählten, außerdem die Niederlande und Burgund, Neapel, Sizilien, Sardinien und einige mehr. Sein Engagement andernorts finanzierte Karl in erheblichem Maße durch kastilische Steuern, deren Last für die Toledaner im Laufe des 16. Jahrhunderts auf ein Vielfaches stieg. Zwar gewann Karl in Spanien nicht nur herrschaftlich an Boden, sondern fand schließlich auch zunehmend Akzeptanz, zumal kein Spanier unempfänglich war für Ruhm und Glanz von Kaisertum und Entdeckung der Neuen Welt. Kastilien aber geriet gleichwohl ins Hintertreffen, und dieser Prozess vollzog sich nicht so schleichend, dass man ihn hätte übersehen können. Am schärfsten spürten den Niedergang, der durch ein Bevölkerungswachstum und vermehrte Zuwanderung nur noch verschärft wurde, die Bürger. In Toledo brach die Mittelschicht regelrecht weg, das Proletariat aber nahm an Umfang zu. Die Bürger aber waren es, die die Hauptlast der Steuern zu tragen hatten.
Unter Philipp wurde es noch schlimmer. Das kleine Kleckernest Madrid, das bisher in keinster Weise an Toledo hatte heranreichen können, war 1561 von Philipp zur neuen Hauptstadt auserkoren worden – sehr zum Unwillen und Unverständnis der meisten Zeitgenossen. Über die Gründe lässt sich trefflich streiten, weil Philipp sie nirgendwo niederlegte. Für Toledo jedenfalls stellte das eine schmerzliche Degradierung dar. Zwar behielt die Stadt den Status als Sitz des spanischen Kirchenoberhaupts, aber das allein konnte den Abwärtstrend nicht aufhalten. Nicht nur das Prestige litt, auch wirtschaftlich entfiel durch den Abzug des Hofes ein bedeutender Faktor. Philipp reiste zwar nicht ständig umher wie sein Vater, aber Toledo profitierte davon nicht, im Unterschied zur neuen Hauptstadt Madrid, das nunmehr zum Höhenflug ansetzte, und dem nicht weit von dort gelegenen Escorial. Philipps Beliebtheit war vermutlich nicht dienlich, dass er mehr misstrauischer Despot und fanatischer Aktenfresser war als liebenswerter Landesvater, zumal ihn das Volk nur selten zu sehen bekam. Immerhin ließ er bis 1587 den Tajo zwischen Toledo und Lissabon schiffbar machen, was der daniederliegenden Tuchindustrie Toledos einen Vorteil verschaffen sollte, aber das linderte die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nur wenig.
Der Alcázar von Toledo, gerade im Ausbau begriffen, würde als königliche Residenz also keine sonderliche Bedeutung mehr erlangen. Vielleicht deshalb holte Philipp für die Kosten der Wasserkunst die Stadt Toledo ins Boot – gegen ihren Willen. Trotz allem wurden ja die Palastgärten unterhalten und brauchten Wasser – aber es war schwer vermittelbar, dass die Bürger für die Wasserversorgung des Alcázar zahlen sollten, wo der König doch eben erst der Stadt seine Gunst und den Hauptstadttitel entzogen hatte. Der Unmut der Bürger von Toledo ist also durchaus nachvollziehbar. Es lässt sich allerdings nicht mehr feststellen, ob die Toledaner tatsächlich nur die spärlichen Reste des Wassers erhielten, nachdem der Alcázar seinen Bedarf gedeckt hatte. Wahrscheinlich ist es aber durchaus, denn zum einen befand sich der Palast
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