Grandios gescheitert
Wasserkunst das kostbare Nass weiter in die Höhe und von nah und fern kamen Besucher, um die ausgeklügelte Konstruktion zu bewundern. Juanelos Nachkommen erledigten wohl auch die Aufgabe, den zahlreich anreisenden Neugierigen das Wunderwerk der Technik zu zeigen und zu erklären. Dann aber starb auch der Enkel, ohne dass ein fähiger Nachfolger verfügbar war. Vier Jahrzehnte nach Turrianos Tod fiel die Anlage der Vernachlässigung anheim, wurden Messingteile entwendet, verrottete die Schutzbehausung der Anlage. Schließlich wurde die Wasserkunst von Toledo ganz stillgelegt und verfiel schließlich völlig. Ihr Modell, das man heute vor Ort in Augenschein nehmen kann, musste anhand der späteren Beschreibungen und der örtlichen Gegebenheiten rekonstruiert werden – wie das Ganze also wirklich aussah, ist nicht mehr zweifelsfrei zu ermitteln.
Ein achtes Weltwunder der Technik
Es besteht ein auffälliger Kontrast zwischen der Ablehnung der Toledaner und den Lobpreisungen von anderer Stelle. Man darf vermuten, dass die Wasserkunst in den Augen neugieriger Besucher, die tatsächlich bald in Scharen herbeiströmten, um das Wunderwerk persönlich in Augenschein zu nehmen, ihren Namen völlig zu Recht führte. Denn überaus kunstvoll funktionierte die Mechanik, und man stand vermutlich ebenso verblüfft davor wie ein Kind vor einer kleinen Spielzeugmaschine, in der zwar die schnöde Wirkung der Schwerkraft eine Murmel von oben nach unten befördert – das aber auf kurzweiligen Umwegen und durch allerlei Spielereien, die den Blick bannen. Und weil Turrianos Wasserkunst die Schwerkraft überwand und dabei noch dazu die Kraft desselben Wassers nutzte, die sie nach oben beförderte, mochte sie mancher als größtmögliche Annäherung an ein Perpetuum mobile sehen. Als achtes Weltwunder soll die Konstruktion bezeichnet worden sein, zeitgenössische Autoren attestierten dem Lombarden »großes Können bei jeder Form der Mechanik« und bezeichneten ihn als »zweiten Archimedes«. In zeitgenössischen Schriften finden sich zahlreiche Würdigungen der Wasserkunst, viele große spanische Schriftsteller gehen darauf ein, bis hin zum berühmten Cervantes.
Als Turrianos Wasserkunst von Toledo Mitte des 17. Jahrhunderts bereits außer Betrieb gestellt war und kläglich vor sich hin rottete, kam sie dennoch zu besonderen künstlerischen Ehren. Ein Ballett in Madrid namens »El Mago« erklärte die Funktionsweise der Wasserkunst spielerisch auf der Bühne. Dabei veranschaulichten die Tänzer mit ihrer Darbietung, was sie gleichzeitig sangen:
Das Wasser kommt mit Kraft
und dreht das Wasserrad
zum Treiben der Maschine
aus Löffeln und aus Kübeln.
Und wenn die einen steigen,
so gehen die andern nieder,
sodass vom tiefsten Punkte
bis zu der höchsten Stelle,
die einen übernehmen,
was aus den andern fließt;
bis dass die Wasser steigen
zum hohen Alcázar.
Wie ein Symbol der Zeitenwende
DER FRANZÖSISCHE REVOLUTIONSKALENDER
Eines der bekanntesten Daten der Weltgeschichte ist 1789 – das der Französischen Revolution. Bis hin zu den Umwälzungen in den Ländern des Warschauer Pakts 200 Jahre später oder den Aufständen in vielen arabischen Staaten 2011 werden nachfolgende Revolutionen noch immer an ihr gemessen, mit ihr verglichen, sie wird weithin angesehen als die Revolution schlechthin. Darüber hinaus gilt das Jahr, in dem das Schicksal des Ancien Régime , der alten Ordnung von Monarchie und Feudalherrschaft, besiegelt wurde, als epochale Zeitenwende: Die Mehrzahl der Historiker verortet hier das Ende der Frühen Neuzeit und den Beginn der eigentlichen Neuzeit – jener Epoche, in der wir auch heute noch leben. Die Umwälzungen der zehn Jahre der Französischen Revolution und ihre nachhaltigen Folgewirkungen – Ende von Monarchie und Grundherrschaft und Beginn der Republik, Massendruck als politischer Faktor, individuelle Freiheit und Selbstbestimmung, Bildung politischer Parteien, eine neue Form der öffentlichen politischen Debatte, die Proklamation universeller Menschenrechte, eine Verfassung, die Vernunft als Maßstab und einiges mehr – spielen bis heute für unser Leben eine gewichtige Rolle.
Geschichte wird gemacht
Dass die Ereignisse seit 1789 Geschichte schreiben, im doppelten Wortsinn Epoche machen würden, das stand bereits für die Zeitgenossen der Französischen Revolution außer Zweifel – ja, es war ihr Anspruch, eine Zeitenwende herbeizuführen. Die alte Ordnung hatte regelrecht abgewirtschaftet
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