Granger Ann - Varady - 01
habe, dann die
Grundlagen um ein Geschäft zu führen. Du und ich, wir
könnten gemeinsam irgendein Geschäft aufziehen, ganz egal
was. Wir könnten zur Bank gehen und sie bitten, uns ein
kleines Paket zusammenzustellen. Eines von diesen Gründerdarlehen. Ich hab die Augen offengehalten und nach einem geeigneten Standort gesucht. Und wenn wir am Anfang
mit der Buchhaltung Hilfe benötigen, könnten wir Jay bitten. Er würde nichts dafür verlangen, er gehört zur Familie.«
Das war die haarsträubendste Idee, die ich seit langer Zeit
gehört hatte – und dass sie ausgerechnet von Ganesh kam,
den ich eigentlich für vernünftig gehalten hatte – es war unglaublich! Er konnte nicht wirklich denken, dass es funktionieren würde, oder? Selbst wenn ich fähig wäre, ein Geschäft
zu führen, was ganz bestimmt nicht der Fall ist. Ich nahm an,
er hatte Stress mit seiner Familie, und das war der Grund für
seine Idee, doch er machte sich selbst etwas vor, falls er glaubte, dass Jay ihm bei der Buchhaltung helfen würde. In einem
Atemzug gab er vor, aus dem Schoß der Familie auszubrechen, und im nächsten verließ er sich wieder voll und ganz
darauf, dass die Familie ihn auffangen würde.
Ziemlich unfreundlich entgegnete ich: »Vergiss es. Was
für eine Schnapsidee! Ich würde verrückt werden. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dein Schwager einmal in der Woche vorbeikäme, um seine Nase in unsere Bücher zu stecken.«
»Vielleicht doch«, entgegnete Ganesh. »Denk drüber nach.«
»Im Augenblick hab ich die Polizei im Nacken – wie soll
ich da über irgendetwas anderes nachdenken? Ich weiß ja
nicht einmal mehr genau, was eigentlich im Haus passiert
ist, so durcheinander bin ich!«
Er murmelte etwas vor sich hin, und ich sah, dass er sich
ärgerte. Doch ich konnte mir einfach nicht vorstellen, selbst
dann nicht, wenn das hier vorbei war, jeden Abend mit oder
ohne Jay im Rücken über den Büchern zu sitzen und Konten gegeneinander aufzurechnen. Mir Gedanken machen
über das Personal und den Umsatz und über Gewinn und
Verlust? Ich wäre wahrscheinlich aus dem Fenster gesprungen. Doch es machte mir wieder einmal mehr als alles andere deutlich, warum es zwischen Ganesh und mir niemals zu
mehr als aufrichtiger Freundschaft kommen würde. Wenn
es um den Lebensstil ging, war er ein überzeugter Traditionalist. Ich war einfach nur ich, eine Zigeunerin, wenn überhaupt, eine urbane Nomadin. Kein fester Wohnsitz, keine
regelmäßige Arbeit, überhaupt nichts Normales. Mit anderen Worten: Freiheit.
Doch das alles half mir im Augenblick herzlich wenig
weiter. Ich wollte Ganeshs Gefühle nicht verletzen und versuchte ihm freundlich zu erklären, wie ich die Sache sah. Er
meinte, es wäre in Ordnung, dann brach er auf, um nach
Hause zu gehen. Er wirkte noch immer verletzt. Ich blieb
allein in der Wohnung zurück und aß Orangen, eine nach
der anderen. Man nennt das ›Frustfressen‹, glaube ich.
Ich brauchte das zusätzliche Geld, und so ging ich am Ende
doch hinüber zu Mr. Patels Laden und half dort aus. Ich befürchtete anfänglich, die Kundschaft würde mich erkennen
und mir Fragen stellen, doch Ganesh hatte Recht gehabt. Sie
alle hatten nur die eine Sorge, dass ich ihnen keine gequetschten Früchte verkaufte und alle welken Blätter von
den Salatköpfen entfernte.
Der Heimweg in meine Wohnung abends war etwas, das
ich nach und nach richtig zu fürchten begann.
Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich tatsächlich
Angst, obwohl ich Ganesh nichts davon erzählte. Ich hatte
weder in unserem besetzten Haus noch an irgendeinem anderen Ort, an dem ich bisher gewohnt hatte, Angst verspürt
– und ich hatte schon in einigen schlimmen Löchern gehaust. Dieser Wohnturm jedoch war unheimlich. Der Wind
pfiff um ihn herum und hindurch, und wenn ich mitten in
der Nacht erwachte, beschlich mich stets das unheimliche
Gefühl, ich hätte mich in irgendeiner albtraumhaften Wüste
verlaufen. Ich hatte Angst, bei Anbruch der Dämmerung
könnte jedermann verschwunden sein und ich wäre ganz
allein an diesem unheimlichen Ort. Ich kann es einfach
nicht beschreiben, aber es war ein Gefühl, wie ich es meinem schlimmsten Feind nicht gewünscht hätte.
Ich gewöhnte mir an, das Licht einzuschalten, wenn ich
aus dem Schlaf schrak, und bis zum frühen Morgen zu lesen. Ich las mich durch Nevs Bücher und schaffte fast jede
Nacht eines, und ich bekam dunkle Ringe unter den Augen.
Ich redete mir ein, dass ich
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