Granger Ann - Varady - 01
Ich
sagte mir, dass sie nicht den Eindruck gemacht hatte, als
fürchte sie sich. Andererseits hatte ich mir auch nicht die
Mühe gemacht, hinter die Fassade zu blicken, die sie errichtet hatte. Schön, von Nev oder Squib war nicht viel an Hilfe
zu erwarten gewesen, und Declan hatte seine eigenen Probleme gehabt und war verschwunden. Aber ich hätte ihr zuhören können. Ich hätte versuchen können, ihr ein wenig zu
helfen.
»Ich wollte nicht wissen, was sie bewegt«, sagte ich. »Sie
hat bei uns gewohnt, aber sie war und blieb eine Fremde.«
Und das war die Wahrheit, auch wenn mir das in diesem
Augenblick zum ersten Mal richtig bewusst wurde.
Janice mühte sich aus dem Sessel. »Danke für den Kaffee.
Ich melde mich wieder.«
Als sie weg war, fühlte ich mich noch deprimierter als zuvor. Mir wurde bewusst, dass ich um Terry trauerte, ein Gefühl, das ich mir bis dahin nicht hatte eingestehen wollen.
Ich war alles andere als stolz auf mich. Ich hätte es früher
spüren müssen.
Außerdem wusste ich jetzt, dass ich Terry etwas schuldig
war. Ich hatte ihr nicht geholfen, als sie noch am Leben gewesen war, aber ich konnte jetzt helfen, ihren Mörder zu
finden. Wenn ich doch nur gewusst hätte, wo ich anfangen
sollte. Ich zerbrach mir eine ganze Weile den Kopf darüber,
ohne zu einem Ergebnis zu kommen.
Ganesh kam mit dem Lieferwagen vorbei, und wir fuhren
zu unserem alten Platz unten beim Fluss, wo wir uns auf einen Betonblock setzten und über das Wasser auf Crystal City starrten oder die Möwen beobachteten, die mit ihren
Schnäbeln das schlammige Ufer nach etwas Verwertbarem
durchstocherten.
»Ich hab ein Gedicht über sie geschrieben«, sagte Gan
unvermittelt. »Über Terry.«
Ganesh war ein guter Dichter. Normalerweise zeigte er
seine Gedichte nur mir, auch wenn er früher hin und wieder
etwas davon der verrückten Edna vorgelesen hatte. Beim
letzten Mal meinte sie, es wäre sehr gut, und ob er überlege,
auf der Bühne aufzutreten.
»Ich bin doch kein verdammter Noel Coward!«, hatte
Ganesh geantwortet.
Jetzt las er mir jedenfalls sein neuestes Gedicht vor, das,
das er über Terry verfasst hatte. Es war merkwürdig, ihm
zuzuhören, denn er hatte sie längst nicht so gut gekannt wie
ich, und er hatte im Gegensatz zu mir keinen Grund für
Schuldgefühle. Doch es war, als hätte er dieselben Gefühle
wie ich, nur konnte er sie besser in Worte fassen.
Als er fertig war, sagte ich nur: »Danke, Gan.«
»Vielleicht sollen wir es nicht herausfinden«, sagte er und
steckte das Blatt Papier zurück in seine Lederjacke. »Was
wirklich mit ihr geschehen ist, meine ich.«
»Ich will es aber wissen!«, fauchte ich. »Auch wenn ich
nicht weiß, wo ich anfangen soll, solange Edna nicht unerwartet wieder zu Verstand kommt und deine Geschichte
untermauern kann.«
Diese Worte müssen dem Schicksal einen sanften Wink
gegeben haben. Am nächsten Tag hatte ich einen weiteren
unerwarteten Besucher vor meiner Wohnungstür.
Es klingelte, als ich gerade dabei war, ein paar der Spalten
rings um das Schlafzimmerfenster mit Fertiggips auszufüllen. Ich bin handwerklich nicht gerade begabt, doch ich kam
einigermaßen zurecht und reagierte ärgerlich auf die unerwartete Störung.
Ich spähte durch den kleinen Spion und sah draußen einen sehr elegant gekleideten älteren Herrn stehen. Es war
pure Neugier, die mich die Tür öffnen ließ.
»Miss Varady?«, erkundigte er sich ausgesprochen höflich
und lüftete den Hut. »Mein Name ist Alastair Monkton. Ich
bin Theresas Großvater.« Er streckte mir die Hand hin.
Ich entschuldigte mich, weil ich über und über mit Tetrion
beschmiert war, und sagte, es sei vielleicht besser, wenn wir
uns vorläufig nicht die Hände schüttelten.
Er folgte mir ins Wohnzimmer und bemühte sich sichtlich, nicht allzu entsetzt dreinzublicken. Ich bot ihm den
niederträchtigen Lehnsessel an, während ich mir die Hände
wusch und meine Haare bürstete.
Als ich ins Wohnzimmer zurückkehrte, fragte ich ihn, ob
er eine Tasse Kaffee wolle.
Wahrscheinlich zog er es vor, seinen Kaffee an einem
saubereren Ort zu trinken, jedenfalls wich er meiner Frage
aus und sagte: »Ich möchte wirklich keine Umstände machen, Miss Varady. Sie können sich denken, dass ich über
meine Enkelin mit Ihnen reden will, über Theresa. Vielleicht erlauben Sie mir, Sie zum Essen einzuladen?«
Ich wollte ebenfalls über seine Enkelin reden. Er hoffte,
dass ich ihm etwas sagen konnte, und ich hoffte, dass er
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