Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Granger Ann - Varady - 01

Titel: Granger Ann - Varady - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nur der Tod ist ohne Makel
Vom Netzwerk:
meinen Wurzeln suchen. Nicht, dass ich das Gefühl habe, ich hätte in Ungarn Wurzeln. All meine Wurzeln
habe ich in London. Ich spreche nicht einmal Ungarisch. Oft
wünsche ich mir, ich hätte es im Kindesalter von Großmutter
Varady und von Dad gelernt. Für Kinder ist das Lernen von
Sprachen ein Klacks. Aber ich hatte meine Chance nicht genutzt. Eine weitere von zahllosen versäumten Gelegenheiten.
Die Geschichte meines Lebens, versäumte Gelegenheiten.
Nichts durchbrach die Dunkelheit vor meinem Fenster.
Das Haus war eine Oase inmitten einer See aus Nichts. Ich
wünschte, ich hätte den Hof sehen können, denn dort gab es
ohne Zweifel eine Notbeleuchtung, die ständig brannte.
Von meinem Fenster aus war nichts davon zu sehen. Ich riss
mich zusammen und redete mir ein, dass es nur ein Mangel
an »Purpur« in meinen Augen war. Irgendjemand hat mir
einmal erzählt, dass Stadtbewohner nicht genug »Purpur« in
den Augen hätten, was auch immer das sein mag, um in der
Dunkelheit gut sehen zu können. Landbewohner sind an
dunklere Nächte gewöhnt und kommen besser zurecht. Ich
weiß nicht, ob etwas Wahres daran ist oder nicht. Ich wusste
auch nicht, ob möglicherweise jemand, dem die Dunkelheit
im Gegensatz zu mir nichts ausmachte, draußen auf der
Lauer lag. Der heimliche Beobachter, immer beobachtend.
Ich glaubte inzwischen fest an seine Existenz, so sehr ich mir
auch einzureden versuchte, dass er nur ein Hirngespinst
und ein Produkt meiner Fantasie sei.
Als hätte ich nicht genug Probleme damit, was im Innern
des Hauses alles geschehen könnte. Ich drehte den großen
alten Schlüssel im Schloss und sperrte mich ein.
    Ich schlief ein, sobald ich mit dem Kopf das Kissen berührte
– und wachte genauso plötzlich wieder auf. Ich wusste
nicht, wie spät es war – und im ersten Augenblick wusste ich
nicht einmal genau, wo ich mich befand. Der Mond, nun
doch bereit dazu, schien durch die offenen Vorhänge in
mein Zimmer, tauchte es ganz in reines silbernes Licht. Ich
konnte die Möbel sehen, meine Kleider über dem Stuhl, wo
ich sie hingeworfen hatte, zu müde, um etwas in den
Schrank zu hängen, die Sammlung alter Spielsachen auf der
Schubladenkommode, das Muster auf der Tapete.
    Und die Messingtürklinke. Ich hatte mich im Bett aufgesetzt und blickte direkt auf die Tür und die Klinke, die sich
unendlich langsam nach unten bewegte, als würde jemand
auf der anderen Seite sie vorsichtig herunterdrücken. Ich
starrte fasziniert hin. Ich hätte eigentlich Angst haben müssen, doch irgendwie hatte ich mit so etwas gerechnet und
war darauf vorbereitet gewesen. Nicht gerade darauf, dass
sich tatsächlich jemand Zutritt zu meinen Zimmer verschaffte, doch was ich in diesem Fall tun würde, hing auch
von einer ganzen Reihe Dinge ab.
    Außerdem, so sagte ich mir, war die Tür von innen abgesperrt.
Der Griff ging wieder nach oben. Wer auch immer dort
draußen war, er schien sich die Sache noch einmal zu überlegen. Er – ich war ziemlich sicher, dass es Jamie sein musste
– hatte anscheinend erkannt, dass ich den Schlüssel umgedreht hatte. Die Bodendielen knarrten. Ich dachte schon, er
hätte aufgegeben, und entspannte mich wieder.
Zu früh gefreut. Einige Sekunden später war er zurück. Er
war nur weggegangen, um etwas zu holen. Ein Stück Karton, das er nun unter dem recht breiten Türschlitz hindurchschob. Ich konnte mir denken, was als Nächstes
kommen würde, doch ich blieb im Bett sitzen und beobachtete weiter. Ich war gespannt, ob es ihm gelingen würde. Der
Schlüssel klapperte im Schloss. Er schob ihn von der anderen Seite heraus. Er fiel herunter und landete mit einem leisen Klimpern auf dem Karton. Jetzt begann er, den Karton
mitsamt dem Schlüssel darauf langsam zurückzuziehen.
Wenn ich seinen Plan durchkreuzen wollte, musste ich
spätestens jetzt aus dem Bett und den Schlüssel packen, bevor er meinem Zugriff entzogen wurde. Doch ich hatte zu
lange gewartet; meine Einsicht kam zu spät. Der Schlüssel
glitt unter der Tür hindurch und war weg. Er kratzte im
Schloss. Der Türgriff wurde erneut heruntergedrückt.
Ich war nackt und verspürte nicht die geringste Lust, Jamie
Monkton eine kostenlose Show zu liefern. Ich sprang aus dem
Bett, packte den Morgenmantel und fand gerade ausreichend
Zeit hineinzuschlüpfen, bevor sich die Tür öffnete.
»Warum kommen Sie nicht herein?«, rief ich.
Er kam mit so viel Haltung herein, wie er unter den gegebenen Umständen bewahren konnte. Er trug

Weitere Kostenlose Bücher