Granger Ann - Varady - 01
sehen!
Die alten Leute … Alastair. Der alte Knabe würde glatt einen Herzschlag kriegen! Und wenn das nicht, so würde es
ihn nur unnötig aufregen …«
Er wandte sich ab und stapfte davon, immer noch sichtlich mitgenommen, und ich blieb allein an der Badezimmertür zurück. Irgendetwas von dem, was er gesagt hatte,
nagte an mir. Die alten Leute? Wer denn sonst noch – außer
Alastair?
Zurück in meinem – in Terrys Zimmer öffnete ich eine
Schublade in der Frisierkommode und fand ein Durcheinander aus den verschiedensten Kosmetika und Make-ups.
Ich entdeckte einen rosafarbenen Lippenstift, der nicht zu
knallig war, malte meine Lippen damit an, dann rieb ich mir
mit dem Puderkissen aus einer flachen Dose über die Nase,
schlüpfte in Rock und Nylons, polierte meine staubigen
Stiefel mit einem Papiertuch aus einer Box auf der Kommode und machte mich schließlich auf den Weg.
Zuerst jedoch erkundete ich das Ende des Korridors. Und
siehe da, in einer Nische fand ich den Aufzug. Tatsächlich ein
Aufzug in einem Privathaus? In einem alten Haus, das nicht
einmal über ein modernes Badezimmer verfügte? Ich überlegte, ob ich einsteigen und auf den Knopf drücken sollte,
doch dann entschied ich mich dagegen – wahrscheinlich
würde man es als dreist empfinden. Ich ging zur Treppe.
Auf dem Weg nach unten hörte ich Stimmen aus dem
Wohnzimmer. Jamie hielt einen Vortrag in einem überheblichen Tonfall. Ich hörte Alastairs durch die Entfernung gedämpften Protest. Dann fuhr Jamie so laut fort, dass ich jedes Wort deutlich verstand:
»Aber du weißt nicht das Geringste über diese Frau! Sie
sagt, sie hätte Theresa gekannt, aber wir wissen alle sehr genau, in welcher Gesellschaft sich Theresa aufgehalten hat!
Diese Frau ist wahrscheinlich irgendein dahergelaufener
Heroinjunkie von Gott weiß woher! Wir werden Nadeln in
den Blumenbeeten finden und müssen alles unter Verschluss halten!«
Es war der passende Zeitpunkt für meinen Auftritt. Ich
stieß die Tür auf und marschierte hinein. Ich würde eine
kleine Ansprache halten, dass ich nichts von Drogen hielt
und nie gehalten hatte, genauso wenig, wie ich eine Diebin
war, und dass sie sich deswegen keine Sorgen machen müssten. Ich würde nicht mit dem Familiensilber verschwinden.
Doch bevor ich etwas sagen konnte, dröhnte eine tiefe,
weibliche Stimme los:
»Sie sind also die junge Lady, die mein Bruder in London
besucht hat?«
Ich hatte sie beim Eintreten nicht gesehen, und als sie die
Stimme erhob, schrak ich mächtig zusammen. Ich wirbelte
herum.
Vor mir saß eine stattliche alte Lady in einem Rollstuhl.
Sie trug eine Rüschenbluse und einen langen Rock, der ihre
Beine bedeckte. Ihr Haar war weiß mit einem leichten Blaustich und sehr hübsch gewellt. Ihre Augen lagen tief in den
Höhlen, doch sie waren sehr groß und dunkel und schienen
mich sofort zu durchschauen. Der Rollstuhl erklärte den
Aufzug und den Lärm, den ich draußen vor dem Badezimmer gehört hatte. Sie war so offensichtlich Alastairs Schwester, dass ich es selbst dann erraten hätte, wenn sie ihn nicht
»mein Bruder« genannt hätte. Sie besaß die gleichen markanten Gesichtszüge, doch sie sah ein oder zwei Jahre älter
aus als er.
Alastair war aufgestanden, als ich eingetreten war, doch
Jamie blieb sitzen und funkelte mich an. Er wusste, dass ich
gehört hatte, was er über mich dachte. Er war froh darüber.
Es sparte ihm die Mühe, mir alles noch einmal ins Gesicht
zu sagen.
Höflich sagte Alastair: »Ja, das ist Francesca, Ariadne. Fran,
meine Liebe, dies ist meine Schwester, Mrs. Cameron.« Dann
– wie beiläufig – fügte er noch hinzu: »Dies ist ihr Haus.«
Ich gehöre wirklich nicht zu der Sorte Mensch, die leicht in
Verlegenheit zu bringen ist, doch in diesem Augenblick
wusste ich wirklich nicht mehr, was ich sagen sollte. Wenn
dies ihr Haus war, dann hätte die Einladung zu bleiben von
ihrer Seite kommen müssen und nicht von Alastair. Ich hatte nicht einmal von ihr gewusst, und da stand ich nun, fiel
mit der Tür ins Haus, marschierte einfach hinein und organisierte mir eine Einladung. Ich brachte es nicht über mich,
Jamie anzusehen. Ohne Zweifel sah ich in diesem Augenblick so aus, als sei jedes Vorurteil gerechtfertigt, das er gegen mich hegte.
Doch Ariadne sagte einfach: »Es ist sehr schön, Sie kennen zu lernen, Francesca. Ich hoffe sehr, dass Ihnen Ihr
Zimmer gefällt. Es war früher Theresas Zimmer, wie man
Ihnen ohne Zweifel bereits gesagt hat.«
Ich
Weitere Kostenlose Bücher