Granger Ann - Varady - 02
nicht betrunken, als Sie mit ihm geredet haben, aber glauben Sie mir, in der Nacht, als er diese
Entführung beobachtet hat, war er voll wie eine Haubitze! Machen Sie sich keine Sorgen: Es ist bestimmt nichts passiert.«
»Das sagen sie immer!«, meinte die Frau zu mir, im Tonfall von jemandem, der schon lange unter der Ungläubigkeit
der Polizei leidet. »Und ich hab ihn so deutlich gesehen wie
Sie, mit nichts an außer einer Mütze auf dem Kopf!«
Die Beamtin ergriff entschlossen das Wort. »Ich denke,
Sie haben sich geirrt, Mrs Parrish, und das ist nun bereits
das dritte Mal in einer Woche, dass Sie uns deswegen besucht haben. Wir haben eine Menge zu tun, wissen Sie? Ich
werde den Sozialarbeiter informieren.«
»Es passiert ständig, sehen Sie?«, flüsterte mir der Sergeant
heiser zu. »Sie kommt jeden zweiten Tag her und berichtet
irgendwelche Dinge, die sie angeblich gesehen hat. Einsamkeit verursacht so etwas bei den Leuten.«
Vielleicht war es das, die Andeutung, dass sie mich in einen Topf mit einer armen Irren steckten, die von ihrem Erkerfenster aus nackte Männer sah. Oder vielleicht hatte ich
das schleichende Gefühl, der Sergeant könnte Recht haben
mit seiner Einschätzung von Albie. Ich fühlte mich jedenfalls dumm und blamiert und bemühte mich nun, wenigstens einen Rest von Stolz zu bewahren.
»Hören Sie!«, schnappte ich, »ich weiß nur, was er mir
gesagt hat, und ich melde es. Entführung ist ein ernstes
Verbrechen, oder vielleicht nicht? Sie sollten es nachprüfen!
Jedenfalls habe ich mich wie ein verantwortungsbewusster
Bürger verhalten und es gemeldet, und ich möchte, dass Sie
es in Ihrem Wachbuch festhalten!«
So viel wusste ich über Polizeiwachen. Sie führen Buch
über mögliche und tatsächliche Zwischenfälle in einer Kladde über besondere Vorkommnisse.
Seine freundliche Art verschwand. »Wenn Sie wüssten, wie
viel Papierkram wir zu erledigen haben, würden Sie mich
nicht bitten, einen Bericht über Alkie Albies Alkoholvisionen
zu schreiben!«
Ich blieb ungerührt stehen. Er seufzte. »Also schön. Dann
mache ich mich eben zum Gespött der Kollegen. Ihr Name?«
Ich nannte meinen Namen und meine Anschrift.
»Ziehen Sie doch wenigstens in Erwägung , dass es tatsächlich passiert sein könnte!«, bettelte ich.
»Selbstverständlich, Madam«, antwortete er. »Und ich rufe
bei der Lokalpresse an und bitte sie, die erste Seite für eine
Schlagzeile freizuhalten.«
Als ich ging, beschwerte sich die Frau neben mir über einen weiteren Mann, diesmal an einer Bushaltestelle.
Ich war wütend und frustriert – und mehr als ein wenig verlegen –, doch hauptsächlich war ich jetzt wild entschlossen.
Ich glaubte noch immer an Alkie Albies Geschichte, und ich
wollte mehr als alles andere beweisen, dass sie der Wahrheit
entsprach. Ich schäme mich, das einzugestehen, doch der
Wunsch, dem Sergeant auf der Wache das überhebliche
Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, war eine stärkere Motivation als die Rettung des unglückseligen Entführungsopfers.
Aber als ich nach Hause ging, beruhigte ich mich mehr
und mehr, und mir kam wieder zu Bewusstsein, dass hinter
alledem ein Mensch in echten Schwierigkeiten steckte und
dass ich die Einzige war, der das nicht gleichgültig zu sein
schien und die etwas dagegen unternahm.
Ich liebe vielleicht meine Freiheit und mein Ungebundensein, doch das bedeutet noch lange nicht, dass ich kein
Gewissen habe. Ich musste Albie finden und ihn dazu bringen, seine Geschichte noch einmal zu erzählen. Vielleicht
fielen ihm noch ein paar Einzelheiten ein, wenn er seinen
benebelten Verstand anstrengte – je länger ich damit wartete, desto wahrscheinlicher wurde es, dass er den Zwischenfall einfach vergaß.
Danach musste ich dem Mädchen irgendwie helfen.
Im Augenblick hatte ich zwar keine Ahnung, wo ich meinen Zeugen finden konnte, geschweige denn, wie ich das
Opfer befreien sollte, doch immer schön ein Problem nach
dem anderen!
Es war später Nachmittag, und der Wind hatte nachgelassen. Das Wetter war besser als den ganzen Tag über. Vielleicht würde es morgen sogar einigermaßen anständig werden. Ich konnte gutes Wetter gebrauchen, wenn ich zu Fuß
durch die Straßen streifte.
Ich schloss meine Wohnungstür auf. Gute Detektivarbeit
fängt mit einer Tasse heißem Tee an.
KAPITEL 3 Ganesh kam an jenem Abend gegen halb neun vorbei. Er klopfte in dem Rhythmus an das
Fenster im Souterrain, den ich als den seinen erkannte.
»Hari hat ewig gebraucht,
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